11. Juni 2021, 17:28 Uhr

Provokation als Methode

11. Juni 2021, 17:28 Uhr
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Aus der Redaktion
Frontfrau: Alice Weidel, die Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, führt die Partei als Spitzenkandidatin in die Bundestagswahl. FOTO: DPA

Viele haben sich an die Provokationen der AfD (Alternative für Deutschland) inzwischen so sehr gewöhnt, dass bei erneuten verbalen Entgleisungen oft nur noch mit den Schultern gezuckt wird. Dass diese meist wohl kalkuliert erfolgen und welche Gefahren der Gewöhnungseffekt birgt, ist den Wenigsten bewusst. Wer wissen möchte, welcher Strategie die oft chaotisch wirkende Partei folgt, sollte das Buch »Die Methode AfD«, geschrieben von den Journalistinnen und langjährigen AfD-Beobachterinnen Katja Bauer und Maria Fiedler lesen.

Die Autorinnen erklären den Weg der AfD von der eurokritischen Professorenpartei zu einer in immer größeren Teilen rechtsextremen Partei und warum »die Radikalisierung der AfD bereits vorgezeichnet war«. Außerdem wird beschrieben, wie es ihr gelingt, die Gesellschaft immer weiter zu polarisieren und wieso beide Entwicklungen ein selbstverstärkender Prozess sind.

Katja Bauer sagt dazu bei der Online-Präsentation des Buchs durch den Verlag: »Das Ziel ist es, die Grenze des Sagbaren zu verschieben.« Spätestens seit der »Flügel«, die rechtsextreme Strömung der AfD, durch den Verfassungsschutz beobachtet wird, ist klar, dass er eine bedeutsame Rolle in der AfD spielt. Der »Flügel« wurde zwar als Reaktion auf die Beobachtung formal aufgelöst, hat laut Verfassungsschutz aber immer noch wachsenden Einfluss. Fiedler und Bauer erklären detailreich und verständlich, wie es der »Flügel«, obwohl zahlenmäßig in der Minderheit, schafft, die Richtung der AfD immer weiter nach rechts vorzugeben und welche Verbindungen die Mitglieder zu rechtsextremen Organisationen unterhalten.

Das Buch erklärt anschaulich, warum sich die Hoffnung vieler Kommentatoren und Politiker, »dass sich die Partei mit dem Einzug in das hohe Haus mäßigen könnte« nicht erfüllt. Der AfD geht es im Bundestag nicht wirklich darum, Debatten zu führen, sondern sie nutzt als »Internetpartei« Videos aus dem Bundestag, die nur ihre eigenen Reden zeigen, dafür, Menschen von sich zu überzeugen. Dabei helfen ihnen auch die viel diskutierten Filterblasen, die dafür sorgen, dass Nutzern von Plattformen wie Youtube oder Facebook nur Beiträge angezeigt werden, die ihrer Meinung entsprechen.

Oft stellt man sich immer noch die Frage, was Menschen dazu bringt, die AfD zu wählen oder in diese einzutreten. Besondere Einblicke zu dem Thema liefern hierzu die Aussteigerberichte ehemaliger Mitglieder, in denen die Beweggründe für den Eintritt und späteren Austritt aus der AfD geschildert werden.

Bauer und Fiedler hielten eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz für angemessen. Nach den Landtagswahlen vom 14. März, bei denen die AfD in Baden-Württemberg 5,4 Prozentpunkte und in Rheinland-Pfalz 4,3 Prozentpunkte verloren hat, wurde darüber spekuliert, ob der Höhenflug der Partei nicht auch durch die drohende Verfassungsschutzbeobachtung sowie die wenig konstruktiven AfD-Äußerungen zur Corona-Politik gestoppt wurde. Fiedler relativiert diese Einschätzung, indem sie feststellt, dass trotz des Dämpfers für die AfD immerhin klar sei, dass rund zehn Prozent bereit seien, diese immer mehr extremistische Partei weiter zu wählen. Fiedler: »Es gibt einen Kern von sieben bis 8 Prozent Rechtsradikalen und ein populistisches Potenzial von 20 Prozent.«

Der Kardinalfehler

Die Autorinnen versuchen darzulegen, wie gelingen könnte, dass die AfD nur vom »rechtsradikalen Kern« gewählt wird und nicht in der Lage ist, ihr volles populistisches Potenzial auszuschöpfen. Dafür werden erfolgreiche Versuche von Parteien und Medien, mit der AfD umzugehen, analysiert. So wird es als Kardinalfehler bezeichnet, dass sich in Thüringen im Februar 2020 der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Unterstützung der AfD zum Ministerpräsident wählen ließ. Fiedler und Bauer ziehen das Fazit, dass die AfD zwar nicht einfach wieder verschwinden wird, aber es durch die richtige Politik der anderen Parteien möglich ist, ihre Macht in Grenzen zu halten. Was der AfD nach Meinung der Autorinnen am meisten schadet? »Konstruktive Ideen der anderen.« Leonie Lamoth

Katja Bauer/Maria Fiedler: Die Methode AfD. Verlag Klett&Cotta, 336 Seiten, 20 Euro, ISBN: 978-3-608-98412-5.



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