19. März 2023, 14:13 Uhr

Roman_Nichtmillionenstadt_ANZG_KA_UA_1803_001105463

19. März 2023, 14:13 Uhr

27

Ist das jetzt eine neue, geschwollene Tonlage?«

»In deiner Situation würde ich auf Wortspiele verzichten, die etwas mit Schwellungen zu tun haben.«

»MOM!« Ein wenig rang ich echt um Fassung. Dumme Kommentare dieser Art waren unter Gleichaltrigen Gang und Gäbe, und da gehörten sie auch hin. Ich rappelte mich wieder auf und schaute sie entsetzt an.

»Nun komm, mach jetzt nicht auf fromm, sonst muss deine alte Mutter nachher noch eine Kirche aufsuchen und eine Kerze zur Rettung ihres Seelenheils anzünden.«

»Das wäre vielleicht nicht die schlechteste Idee.« Aber mein Lächeln verriet mich. In Wirklichkeit war ich froh, wie locker sie alles nahm.

»Was machen wir jetzt mit deinem Hunger?«

»Vielleicht etwas essen gehen«, schlug ich vor.

»Ich hätte einen anderen Vorschlag.«

Ich blickte sie fragend an und sie versetzte mir einen Stoß an die Schulter, so dass ich gerade wieder nach hinten kippte, während sie in die Knie ging und sich zu mir setzte.

»Du hast echt Kraft getankt, scheint mir. Während ich eine harte Woche hinter mir habe. Das ist ein ungleiches Kräftemessen«, beschwerte ich mich.

»Ungleich ist höchstens, dass du voll im Saft stehst, während ich meine Reserven mühsam beisammenhalte.«

»Voll im Saft? Ich vermute mal, dass das jetzt nicht eine Fortsetzung deiner pubertären Anspielungen ist.«

»MARIUS!«

»Wollte mich nur kurz deinem Niveau anpassen. Gehen wir jetzt essen?« Ich stand auf. An mindestens drei Stellen meines Körpers knackten dazu die Knochen. Ich hielt ihr die Hand hin, und sie ließ sich nach oben ziehen.

»Es ist noch zu früh, ich hätte eine andere Idee.«

»Zu früh? Es ist vier Uhr mittags.«

»Eben. Und wir sind im Spessart, und nicht auf der Zeil oder in der Berger Straße. Hier bekommst du, wenn überhaupt, mittags oder abends etwas Warmes zu essen. Nicht um vier Uhr nachmittags. Da gibt’s Kaffee und Kuchen.«

»Na toll. Wie lautet die andere Idee?«

»Ich habe Wanderkarten dabei, es gibt in unmittelbarer Nähe herrliche Wege. Ich habe eine Route ausgesucht, die uns in etwa zwei Stunden zu einer verheißungsvollen Lokalität führt.« Mom hatte zwar ein Smartphone, sogar ein gutes iPhone, aber sie hasste es da reinzuschauen, während sie einen Weg suchte.

Ich hatte nichts gegen wandern, im Gegenteil. Ich lief gerne durch die Natur. Aber jetzt hätte ich es vorgezogen, erst mal etwas zu essen. Allerdings war ich auch nicht am Verhungern. »Gut, dann machen wir das. Holst du noch die Karten?«

*

Wir fuhren mit dem Auto zu einem Waldparkplatz, von dem aus wir gut starten konnten. Die Strecke, die Mom zum Wandern ausgewählt hatte, führte die meiste Zeit durch den Wald. Dazu begleitete uns ein Bach, der sich malerisch durch die Landschaft wand. Mal waren wir ganz nahe dran, mal liefen wir oberhalb und konnten ihn besser hören als sehen. Mitten im Sommer begegneten wir keinem Menschen. Es duftete wunderbar nach modrigem Holz und Waldboden, die Luft war warm und voller Summen und Vogellauten. Ab und an hörten wir entfernt ein Flugzeug am Himmel oder ein Auto auf der wenig befahrenen Straße in der Nähe. Das war mir fast schon zu viel Zivilisationslärm, aber es ließ sich damit leben. Er gewann zu keiner Zeit die Oberhand. Mom ergriff als Erste das Wort.

»Ich muss zugeben, dass ich neugierig bin. Seit Montag hast du nichts mehr erzählt. Dafür gehst du seit Donnerstag viel zu früh aus dem Haus. (Fortsetzung folgt)



0
Kommentare | Kommentieren

Mehr zum Thema

Bilder und Videos