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Ich kam ganz gut klar mit Bella, sie war so etwas wie eine Freundin, aber in diesem Moment störte sie mich einfach nur.
»Entschuldigung, man wird ja wohl noch fragen dürfen. Kein Grund mich anzunerven.«
»Schon gut, du musst ja auch nicht gleich hyperempfindlich reagieren. Ich habe mich mit Max verabredet.«
»Mit Max? Dem Neuen?«
»Ja.«
»Na, das wurde ja auch Zeit.«
»Wieso das denn?«
»Na, der ist ja echt schnuckelig, also habe ich immer mal wieder rübergeschaut zu ihm. Im Unterricht, meine ich. Aber der guckt nie. Sitzt immer nen Meter hinter dir und schaut nach vorne oder vor sich. Die meiste Zeit schaut er aber auf dich.«
Das war nun fast ein Schock. »Er schaut auf mich? Ihr Frauen seht echt zu viele Gespenster.«
»Na, du kannst Ben fragen, wenn du einen männlichen Zeugen brauchst. Oder Luisa und Dani. Ist uns allen schon aufgefallen. Weils doch irgendwie seltsam ist. Er hat noch mit niemandem geredet und glotzt dir die ganze Zeit auf den Rücken, das fällt auf. Und wir hätten es dir sicher schon gesagt, aber du redest ja auch mit niemandem mehr. Das fällt auch auf.«
»Ist ja super, was euch allen so auffällt.«
»Guten Morgen.« Wir hatten beide nicht gemerkt, dass Max gekommen war, und drehten unsere Köpfe synchron in seine Richtung. Ich für meinen Teil fühlte mich ertappt. Aber ich hatte etwas an Sicherheit hinzugewonnen und konnte meine Freude zeigen, ihn zu sehen. Sogar Bella konnte ich für einen Moment vergessen, das Lächeln auf meinem Gesicht bildete sich ganz unkontrolliert aus.
»Moin,« sagte ich, und Bella verstand sogar das Gebot der Stunde, wenn auch beleidigt.
»Ich geh schon mal hoch. Ihr seid ja verabredet.«
»Bis gleich«, sagte Max zu Bella. Ich hatte keine Lust auf beleidigte Mädchen. Max und ich schwiegen ein paar Sekunden. Es ist gar nicht so, dass ich ein Stockfisch wäre, aber manchmal halten mir da tief drinnen irgendwelche fiesen Gestalten die Hände vor den Mund. Zum Glück sind dann die anderen meistens schneller.
»Der Bus hat heute etwas länger gebraucht«, sagte Max. »Irgendwie werden die Baustellen immer mehr, obwohl das doch anders sein müsste, oder?«
»Anders? Äh, vielleicht. Wie meinst du das?« Ich war mir noch nicht sicher, ob ich in den paar Minuten, die wir hatten, über Baustellen reden wollte. Von daher hätte ich mir die Nachfrage besser gespart. Im Stockfisch-Modus nimmt man aber jeden Krümel dankbar auf.
»Ich meine, dass ständig etwas neu gebaut wird und dass es dann doch auch mal vorbei sein müsste. Doch dann wird sofort wieder was abgerissen, und das Theater geht von vorne los.«
Darüber konnte man sich also Gedanken machen. »Ist wohl so heutzutage«, antwortete ich und wollte dabei bestimmt nicht altklug klingen.
»Heutzutage?«
»Ich meine
zugegeben, wie es früher war, weiß ich gar nicht. Aber hier und heute in Frankfurt entsteht doch ständig was Neues.« Mehr fiel mir dazu immer noch nicht ein.
»Ich mag die Baustellen nur aus einem Grund. Und das auch nur im Sommer.«
»Und der wäre?«
»Das willst du nicht hören.«
Es klingelte zum Aufbruch. Fünf Minuten hatten wir noch. Um uns herum begannen alle, zur Treppe oder den Gängen im Erdgeschoss zu laufen. Wir blieben stehen, ich blickte auf das schwarze Brett.
»Schön, dass du wirklich auf mich gewartet hast.«
Ich sah zu Max. »Find ich auch. Also, dass du gekommen bist. Und ich wills hören. (Fortsetzung folgt)