25. März 2023, 08:45 Uhr

Firmengründer Mario Leo aus Büdingen

Digitaler Dirigent

Bei vielen Profivereinen und Verbänden geht in den sozialen Medien nichts mehr ohne Mario Leo. Der Meister im Umgang mit Facebook, Instagram und Co. betreut unter anderem Manchester City.
25. März 2023, 08:45 Uhr
TFR
Social-Media-Experte Mario Leo. FOTO: RESULT SPOrTS

Mario Leo gründete vor 15 Jahren die Firma RESULT Sports und beschäftigt mittlerweile 19 Mitarbeiter, verteilt auf Standorte in Büdingen, der Türkei, Schottland und Südafrika. Im Interview mit dieser Zeitung spricht der 52-Jährige - der viele seiner Kunden aus Datenschutzgründen nicht nennen darf - über seinen Job sowie die Chancen und Risiken in der digitalen Welt.

In den vergangenen Wochen hatten Sie unter anderem wieder TV-Auftritte bei Sky, waren als Social-Media-Experte rund um den Transfer von Cristiano Ronaldo gefragt. Wie bewerten Sie den Wechsel?

Ihm persönlich könnte man seine vor Jahren getätigte Aussage vorwerfen, dass er seine Karriere in keiner Altherren-Liga beenden wolle. Auf der anderen Seite könnte er nun argumentieren, dass er als eine Art Botschafter verpflichtet wurde. Saudi-Arabien strebt an, in den kommenden fünf bis zehn Jahren in die Top 5 der weltweiten Fußball-Ligen aufzusteigen. Der erste Schritt ist, Star-Spieler höheren Alters zu locken, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Mit Ronaldo hat der Klub Al Nassar gleich das Maximum verpflichtet. Und der Plan geht auf: Binnen weniger Tage ist die Follower-Zahl des Klubs in den sozialen Kanälen von einer auf 15 Millionen angewachsen. Und der vor wenigen Wochen noch unbekannte Verein Al Nassar ist plötzlich in aller Munde. Die Liga hat dank Ronaldo maximale Aufmerksamkeit - und das will das komplette Land nutzen.

Wieso?

Die Ölreserven der Saudis gehen in circa 25 Jahren aus. Sie suchen eine neue Möglichkeit, um ans Weltgeschehen anzuknüpfen. Das fing vor Jahren mit den Fluggesellschaften an. Menschen sollten mit attraktiven Flug- und Hotelpaketen ins Land gelockt werden. Jetzt kommt mit einem Fußballspiel von Ronaldo noch das Unterhaltungsprogramm dazu. Sport kann locken, verbinden und Aufmerksamkeit erzeugen. Zudem blicken die Saudi-Arabia etwas neidvoll zum jüngsten WM-Ausrichter nach Katar. Geld, um solch eine Infrastruktur aufzubauen ist mehr als benötigt vorhanden. Es braucht aber auch die sportlichen Zugpferde und Veranstaltungen.

Apropos Katar. Hatten Sie beruflich etwas mit der Weltmeisterschaft zu tun?

Vor der Weltmeisterschaft wurde ich von der UEFA zu einem Workshop eingeladen, an dem auch die meisten Verbände teilnahmen. Nur der DFB war nicht dabei. Steffen Simon (Direktor Öffentlichkeit beim DFB; Anm. d. Red.) war verhindert und konnte auch keinen Vertreter schicken. Die Dänen, die im Umgang mit WM-Gastgeber Katar besonders kritisch waren, präsentierten ihr Konzept. Zudem stimmten sich die Verbände ab, wie manche politisch relevanten und heiklen Themen rund um die WM kommuniziert werden sollten. Auch dort war die »One Love«-Binde ein Thema. Meine Aufgabe war es, konkrete Hilfsmittel im operativen Bereich für die Verbandsarbeit im Bereich Social Media aufzuzeigen.

Ihrer Meinung zur WM-Vergabe.

Die sehe ich nach wie vor maximal kritisch. Man kann über Gesetzesänderungen, die Gastarbeiter besser schützen, und vieles mehr diskutieren. Was mich allerdings stört: Medial tun wir uns immer als Moralhüter hervor. Da stören mich nicht die Privatsender, die auf ihre Quoten kommen müssen. Vielmehr sind es die öffentlich-rechtlichen Sender, die - von uns bezahlt - eigentlich die Objektivität wahren sollten. Warum bringt ein Jochen Breyer seine Dokumentation über die Zustände in Katar drei Wochen vor der WM? Genauso Thomas Hitzlsperger. Wir wissen seit zwölf Jahren, dass dort die WM stattfindet. Aber kurz vor dem ersten Spiel wird dann mit diesen Reportagen eine negative Stimmung erzeugt. Nicht berücksichtigt wird hierbei, dass deutsche Firmen viel Geld mit der WM verdient haben. Und auf der Tribüne sitzt unsere Innenministerin Nancy Faeser mit der »One Love«-Binde zwei Plätze neben dem Emir, der in acht deutsche Dax-Unternehmen investiert. Diese Doppelmoral isoliert uns mittlerweile weltweit.

Jetzt zu Ihrer Firma: Für wen arbeiten Sie aktuell?

Wir haben weltweit 110 Kunden, arbeiten unter anderem für Manchester City, AS Rom, Borussia Dortmund, Eintracht Frankfurt, VfL Wolfsburg die UEFA sowie Fußballer wie Henrikh Mkhitaryan und Josuha Guilavogui.

Und was tun Sie genau?

Das fängt bei der Prozessoptimierung der einzelnen Abteilungen eines Vereins im Dialog mit den Fans an. Dazu bringen wir Technologiewissen in Sportunternehmen und Vereine. Dort sitzen gute Kommunikatoren und Marketingfachmänner, die an die Hand genommen werden müssen. Es geht aber auch um mehr Reichweite, mehr Interaktionen und letztlich auch um mehr Ertrag für unsere Partner. RESULT Sports nutzt die zur Verfügung stehenden technologischen Werkzeuge, um sie optimal bei Jung, Alt, Mann, Frau, Single, Familienmensch, einem interessierten User oder einem sehr interessierten User einzusetzen. Das hat auch viel mit Psychologie zu tun. Wir versuchen immer die Sicht der Fans zu sehen. Holen die Menschen dort ab, wo sie sich befinden und wollen sie zur nächsten Stufe führen. Am Anfang steht der interessierte Nutzer, der einem Verein oder einer Person auf irgendeinem Kanal folgt. Der wird zum Sympathisant, wenn er auf der gewählten Plattform interagiert. Er wird zum Fan, wenn er beispielsweise das Wappen seines Lieblingsvereins zum Profilbild nimmt. Im letzten Schritt wird er zum Konsumenten. Dann kauft er Tickets, Trikots oder andere Dinge. Wir sind quasi Strategen oder Dirigenten, die datengeleitet agieren. Denn im Sport brauchen wir Zählbares, keine Kreativität. Das gilt für Social Media, Web, App und E-Mail. Wir identifizieren zudem wiederkehrende Formate wie Aufstellungen und Statistiken. Das werten wir nach Plattformen, Reichweite sowie Interaktion aus und heften den Produkten dann ein Preisschild für potenzielle Sponsoren an. Dadurch verknüpfen wir unser Monitoring mit Vermarktung. Vereine sollten den Sponsoren nicht nur im Stadion ein Präsentationsfeld bieten, sondern auch im Netz. 1&1 sponsert beispielsweise alle Facebook-Posts von Borussia Dortmund.

Was hat sich während Corona verändert?

Auf die digitale Welt hat die Pandemie einen positiven Einfluss gehabt, weil Social Media in dieser Zeit die einzige Möglichkeit war, mit interessierten Fans in Dialog zu treten. Spätestens seit Corona sind die digitalen Medien keine Einbahnstraße mehr.

Sagen Sie Ihren Partnern, was Sie veröffentlichen dürfen und was nicht?

Wir haben unsere Vereine vor dem ersten Lockdown darauf hingewiesen, keine Toilettenpapier-Jonglier-Videos ins Netz zu stellen. Wenn sich Menschen im Einzelhandel um solch ein Produkt streiten, beweist man mit Toilettenpapier-Jonglierwettbewerben kein Feingefühl.

Erklären Sie kurz, wie Ihre Kunden Facebook, Instagram, Twitter und Co. verwenden sollten.

Facebook ist die Zielgruppe für Menschen ab 30 und älter. Dort sollten leicht zu kommunizierende Inhalte und Höhepunkte veröffentlicht werden, die dem Nutzer Mehrwerte bringen. Twitter ist das Netzwerk für Journalisten und Medien. Für den lokalen Breitensport ist dieser Kanal nicht relevant, weil Aufwand und Erfolg nicht zusammenpassen und die Zahl der Follower nicht schnell (genug) wächst. Das sieht bei Instagram, dem Unterhaltungskanal für 16- bis 30-Jährige, anders aus. Dort sollten keine statischen Grafiken und nicht zu viel Text eingearbeitet werden. Es ist ein Unterhaltungskanal. Der Kurzvideo-Kanal TikTok gewinnt bei den jüngeren Menschen immer mehr an Bedeutung. Dort müssen die Vereine seichte Unterhaltung bieten, um Aufmerksamkeit in jungen Zielgruppen zu generieren .

Wie viel Geld kann ein Verein in der digitalen Welt einnehmen?

In der Fußball-Bundesliga kassiert ein Klub für einen Facebook-Beitrag im Schnitt 5000 Euro von einem Sponsor. In der ersten Handball- und Eishockey-Liga sind es circa 1500 Euro. Viel besser ist es aber, wenn ein Verein einen kompletten Vermarktungskatalog entwickelt und sich so für die werberelevante Zielgruppe auf Facebook interessanter macht. Dann kann ein Fußball-Bundesligist einen Jahresgewinn von einer Million Euro einfahren. Manchester City macht weltweit eine zweistellige Millionensumme mit Social Media. Dort wird alles vermarktet - Aufstellungen, Statistiken des Spiels, Spieler des Spiels, Pressekonferenzen. Der Klub hat 18, 19 verschiedene und wiederkehrende Formate. Da hinkt die Bundesliga gehörig hinterher. Auch, weil Manchester drei Stunden nach einem Spiel bewegte Bilder verwenden darf. Augsburg - als Beispiel - darf wegen der von der Deutschen Fußball Liga aufgestellten Rahmenbedingungen erst ab Dienstag von einem Freitagspiel berichten. Da fehlt dann jegliche Aktualität.

Was verdient der heimische Eishockey-Zweitligist EC Bad Nauheim, der ebenfalls zu Ihren Kunden zählt?

Bad Nauheim hat bei fast allen Bildformaten in den sozialen Netzwerken regionale Partner. Dank Aufstellung, Ergebnisgrafik und anderen Formaten nimmt der Klub circa 30 000 bis 35 000 Euro im Jahr ein.

Sie schrieben ein Buch mit dem Titel »Kaufen Sie Ronaldo«. Wie kam es dazu?

Der Werkstatt Verlag kam auf mich zu, sonst wäre dieses Buch nie entstanden. Ich beschrieb die Höhen und Tiefen seit der Firmengründung. Höhen, wie meine strategische Begleitung beim Ronaldo-Transfer von Madrid nach Turin oder die UEFA-Projekte. Und Tiefen, als mich ein Mitarbeiter verließ und Mesut Özil sowie Ilkay Gündogan als Klienten mitnahm.

Wird es ein zweites Buch geben?

Grundsätzlich gerne. Und zwar einen digitalen Leitfaden. Ein geschossenes Tor einer Mannschaft bringt 1000 Likes. Ein Gegentor 1000 Kommentare, von denen 100 beleidigend sind. Das müssen wir verstehen. Profisportler sollten zudem erklären, was Social Media mit einem macht. Was Beleidigungen bewirken. Werte wie Moral, Toleranz und Respekt sind in den sozialen Medien unheimlich wichtig, weil ich meinem Gesprächspartner nicht gegenübersitze. Seine Körpersprache nicht deuten kann. Gerade für junge Leute, die überwiegend in der digitalen Welt leben, müssen Leitplanken gesetzt werden. Digitalisierung kann zur Isolierung führen. Depressionen können die Folge sein. Darüber müssen wir reden. Zudem sollten Gesetze nicht von Theoretikern gemacht werden. Das beste Beispiel ist die Datenschutzgrundverordnung, die uns in vielen Bereichen unnötig Arbeit gebracht hat. Es herrscht nicht nur im Sport noch immer ein Vakuum an Technologieverständnis. Dafür gibt es zu viele Fachbegriffe und Deutungen in den digitalen Medien. Meine Vision ist es, hier globale Standards zu ermöglichen. Unter dem Strich bleibt festzuhalten: Die Möglichkeiten in der digitalen Welt sind größer als die Risiken. Torben Frieborg



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