. Die lange Fahrt aus der Schweiz hätten sie sich sparen können. Nach der Pressekonferenz passen zwei Journalisten aus dem Alpenland Trainer Hrvoje Horvat ab und fragen, wie er denn die Leistung der zwei Nationalspieler Lenny Rubin und Jonas Schelker bewerte. »Was soll ich sagen«, ist der Coach der HSG Wetzlar erstmal ratlos. Eine Frage, die der Mann nach der nächsten bitteren Pleite beim 22:28 gegen den Bergischen HC ungefähr so nötig hat wie das Wetzlarer Bahnhofsviertel noch einen weiteren Döner-Verkäufer.
Also sagt Horvat das, was man halt so sagt, wenn man nichts zu sagen hat: ein paar freundliche Floskeln. Denn seine beiden Schweizer sind derzeit sowieso schwer zu bewerten. Rubin ging angeschlagen in das so wichtige Spiel. Eine Blessur am Wurfarm sorgte dafür, dass dem Rückraum-Hünen so gut wie nichts gelang. Und Schelker verfügt zwar über viel Talent und vor allem viel Tempo. Aber weder das eine noch das andere sind im Abstiegskampf der Handball-Bundesliga wirklich gefragt. Erfahrung und Geduld würde den Wetzlarern derzeit vermutlich besser helfen. Mit dem freundlichen und klugen Spielmacher kann man in diesen Wochen regelrecht Mitleid haben.
Doch Mitleid ist natürlich die kleine ungeliebte Schwester der hundsgemeinen Geschwister von Fassungslosigkeit und Ratlosigkeit. Und Ratlosigkeit herrscht in der Buderus-Arena allerorten. Als die Pressekonferenz vorüber ist, als die Halle geräumt und die VIP-Räume verlassen sind, stehen gegen 19 Uhr noch drei grün-weiße Fans im Vorraum an einem Stehtisch. Gerade mal noch drei Fans, wo früher wahre Hundertschaften ausgiebig große Siege feierten. Worüber wird das Trio wohl diskutieren? Klar! Der Abstiegskampf dürfte das Thema sein. Und was noch dafür spricht, dass die HSG auch im 26. Jahr in Folge erstklassig bleibt. Dafür spricht vor allem ein Fakt: Die Mannschaft hat drei Punkte Vorsprung auf GWD Minden und den ersten Schleudersitz gen zweite Liga. Noch dazu empfängt Wetzlar den Rivalen am 1. April in eigener Halle. Doch diese Vorteile können schnell zum April-Scherz werden. Denn der Heimvorteil ist für die Grün-Weißen derzeit eher ein Heimnachteil. In der Buderus-Arena scheint das Nervenkostüm noch löchriger als in der Fremde. Und bei einer Niederlage gegen die Klassenkampf erfahrenen Mindener betrüge der Vorsprung nur noch einen mickrigen Zähler. Die derzeit scheinbar beruhigenden Fakten können ganz schnell zu Fake News mutieren.
Die beunruhigenden Fakten jedoch gab es gegen den BCH zu sehen: Die Mittelhessen kämpften zwar verbissen und leidenschaftlich in der Abwehr. Doch der Angriffsmotor stottert wie ein uralter Rasenmäher vom Flohmarkt. Dringend benötigt der anfangs starke Regisseur Magnus Fredriksen neue Spielzüge, um seine zu leicht ausrechenbaren Nebenmänner Rubin und Stefan Cavor in Wurfposition zu bringen. Dringend müssen vor allem auch die Außen um den diesmal sehr spielfreudigen Domen Novak wieder eingebunden werden, damit die gegnerischen Abwehrverbände auseinandergerissen werden. Dringend, ganz, ganz dringend müssen diese Offensivprobleme gelöst werden. »Wir«, sagte Trainer Horvat, der weiter auf seinen ersten Punktgewinn warten muss, »müssen das Positive mitnehmen.« Ja, die Leidenschaft als das Positive mitnehmen, aber eben unbedingt auch das Negative in der Offensive minimieren. Dann kann es doch noch klappen mit dem Klassenerhalt. Dann lohnt sich vielleicht auch mal wieder ein Besuch von Schweizer Journalisten.