Was hat sich Rüdiger Kaffenberger nicht alles für Mühe gemacht. Er hat seine Gedanken um die Umweltzerstörung und die Kriege in der Welt zu Papier gebracht. Dann hat er der Stadt angeboten, diese Gedanken in ein Kunstwerk umzusetzen und an einem öffentlichen Ort auszustellen. Bei der Stadt ist er damit auf offene Ohren gestoßen. Aber weil Kunstwerke immer mal wieder Zielscheibe von Vandalen geworden sind, reifte in der Stadtverwaltung die Idee, er solle sein neues Werk nicht so versteckt, sondern offener platzieren. Dafür schien der kleine Grünstreifen entlang von König+Neurath bestens geeignet.
Die soziale Kontrolle sei dort am größten. Immerhin fahren dort mehrere Tausend Autos am Tag vorbei, außerdem liegt der Weg auf der direkten Achse für Fußgänger, die zum Bahnhof wollen sowie vom Bahnhof wieder zurück nach Groß- und Klein-Karben.
Kopf abgeschlagen
Und so machte sich der 72-Jährige engagiert ans Werk. Kreierte in rund 200 Arbeitsstunden zwei Figuren und einen blauen Ball. Die größere stehe für die aktuelle Generation, die kleinere für die Kinder und die Enkel. Das dritte Teil ist ein blauer Ball, er symbolisiert die Erde, den blauen Planeten. Aber auch den Spielball der Macht. Zunächst schuf er ein Gestell aus Eisen, dann die Hülle, die aus Zement, Beton, Kunststoff und Glasfaser besteht. Zudem verwendete er druckfestes Styrodur, das im Gegensatz zu Styropor kein Wasser aufnimmt. Mit Glasfaser und Gewebe hat er dann die beiden Figuren modelliert. Das Gesicht der großen Skulptur hat eine Schicht aus Sand. Den hatte der Künstler, der in Groß-Karben sein Atelier hat, aus Dänemark mitgebracht. Damit das Werk vollkommen wurde, hat er auf den Sand noch Glitzer aufgeblasen.
Eine Heidenarbeit also für ihn, um die beiden 200 und 50 Kilo schweren Skulpturen herzustellen. Das dritte Teil besteht aus einer Kugel, die den blauen Planeten, also unsere Erde, symbolisieren soll. »Das Vermächtnis« lautet der Titel dieses Kunstwerkes, das er als Mahnung an die jetzige Generation verstanden wissen will, diese Erde den Kindern und Enkelkindern zu übergeben.
Als der Künstler am Freitagmittag dort vorbeikam, entdeckte er an den Armen der kleinen Skulptur schon Beschädigungen. Das waren nicht die ersten, denn schon als Kaffenberger sich im Juli mit dem Redakteur zur Vorstellung seines neuesten Werkes vor Ort traf, musste er Löcher an dem Werk feststellen. Außerdem lagen Scherben, offenbar von einer Wodka-Flasche, am Kunstwerk. Er reparierte den Arm mit erheblichem Aufwand.
Katastrophe auf dem Weg zum Arzt entdeckt
All das hat ebenso wenig etwas genutzt wie der offene Standort. Denn am Montagmorgen, als Kaffenberger auf dem Weg zu seinem Zahnarzt war, entdeckte er die Katastrophe. »Da habe ich schon gesehen, dass der Kopf der kleineren Skulptur abgeschlagen war.«
Am Mittag hat er den Tatort fotografiert und sich die Beschädigungen aus der Nähe angeschaut. »Ich bin total empört«, ruft er, als er das Ausmaß der Zerstörung sieht. »Das Werk wurde mit brutaler Gewalt und unter Zuhilfenahme von Werkzeugen, offenbar einem Hammer, zerstört.«
Dann zeigt er die beiden Arme der großen Figur: »Die waren heute Morgen nach oben gebogen.« Längst hat der 72-Jährige sie wieder zurückgebogen. Die Beschädigungen sind an den Seiten aber natürlich noch deutlich zu sehen. Den Kopf der kleinen Figur haben die Unbekannten aber mitgenommen. »Es macht keinen Spaß mehr«, resigniert der Künstler. »Ich will ja kein Geld für meine Werke.« Er habe auch viele positive Reaktionen erhalten, und nun sei das Werk total zerstört. »Zu reparieren ist es nicht mehr«, stellt er fest.
»Der Vorleser« beschädigt
Immer wieder ist auch Kaffenbergers Kunstwerk im Ortskern von Klein-Karben Opfer von Vandalismus. Den Schirm der einen Figur am Aufgang zur Kirche habe er nach der zweiten Zerstörung gar nicht mehr draufgesetzt, wie ursprünglich gedacht, ergänzt er.
»Mittlerweile sehe ich das Ganze als Angriff gegen meine Person, da es an allen von mir in Karben aufgestellten Skulpturen nicht nur einmal zu erheblichen Beschädigungen gekommen ist.« So nennt er sein Werk »Der Vorleser« in Klein-Karben, das schon mindestens viermal erhebliche Schäden erlitten habe. Außerdem seine Skulptur »Die Umarmung« am Freundschaftsbrunnen an der Gehspitze. Nun also »Das Vermächtnis« am Fußweg zum Bahnhof gegenüber Rewe in kürzester Zeit zweimal. »Wer mit meiner Kunst nicht klarkommt, kann sich gerne bei mir melden, und wir können darüber diskutieren. Aber wer aus Frust oder Übermut seiner Zerstörungswut freien Lauf lässt, ist nur feige.«
Kommentar von Holger Pegelow: Mehr Polizei und Strafen
Die brutale Zerstörung des Kunstwerks am City-Kreisel zeigt leider einmal mehr: Gegen Vandalismus ist kein Kraut gewachsen. Vielleicht haben die staatlichen Stellen zu viele rechtsfreie Räume entstehen lassen. Die Stadtpolizei ist unterbesetzt, der freiwillige Polizeidienst in Karben kaum zu sehen und der Schutzmann kann nicht überall sein. Unsere Ordnungshüter scheinen vor allem dann nicht präsent, wenn es dunkel wird, abends und nachts, wenn die betrunkenen Chaoten durch die Straßen randalieren.
Befeuert werden sie durch Internet und Fernsehen, wo die Brutalität ständig zunimmt und die Reizschwelle immer mehr sinkt.
Aber was könnte helfen? Die totale (Kamera-)Überwachung wäre eine theoretische Idee. Aber dann hätten wir bald Verhältnisse wie in totalitären Staaten. Das kann wirklich niemand wollen. Aber wie wäre es, wenn der Vandalismus, angefangen bei den unsäglichen Graffiti bis hin zu Zerstörungen, als offizielle Straftat gewertet und mit empfindlichen Geldstrafen oder gar Gefängnis bedroht wäre? In anderen europäischen Staaten ist das der Fall. Das könnte vielleicht ein wenig helfen, den Vandalismus einzudämmen.
Die staatlichen Stellen müssen dringend handeln. Karben braucht mehr Polizei als bisher, und zwar auf allen Ebenen. Sonst besteht die Gefahr, dass sich die Bürger selbst organisieren und Streife laufen. Dann Gnade uns Gott!