Corona und der russische Krieg in der Ukraine haben direkte Folgen für die Kreispolitik. So muss der Landkreis im Notfall schnell eine Unterkunft für 500 Flüchtlinge aus dem Boden stampfen, ruckzuck eine Impfstation organisieren oder nach einer Massenkarambolage auf der Autobahn mehrere Personen betreuen können. Das erfordert Fahrzeuge, Notbetten und Material für den Katastrophenschutz, die irgendwo untergebracht werden müssen. Die Kreisspitze schlägt vor, für zunächst fünf Jahre das Pferdezentrum an der Alsfelder Hessenhalle zu mieten. Das sei optimal geeignet, sagt Landrat Manfred Görig.
Auf Anregung der Freien Wähler schauten sich nun Vertreterinnen und Vertreter der Kreistagsfraktionen mit Landrat Görig und den Katastropenschutzexperten der Kreisverwaltung in den geräumigen Hallen nahe der Autobahnabfahrt Alsfeld-Ost um. Geschäftsführer Andreas Kraus und Jens Kirch, Geschäftsführer von Qnetics und Vorstand der ZBH, führten durch den Komplex.
Reithalle soll befahrbar werden
Eine zentrale Rolle spielt die Reithalle, die mit 60 Metern Länge viel Platz für die Unterbringung von 1000 Doppelstockbetten bietet. Um die Gestelle nicht zu beschädigen, können die Betten nicht demontiert werden, wie Michael Jahnel sagt. Der Sachgebietsleiter der Unteren Katatstrophenschutzbehörde in der Kreisverwaltung ergänzte, dass pro Bett zwei Quadratmeter Platz notwendig sind.
Aktuell sind sie dezentral untergestellt, das sei keine gute Lösung. Im Notfall müssten sie schnell verfügbar sein. Da eine Notunterkunft im Notfall in der benachbarten Hessenhalle eingerichtet werden soll, bietet sich das Pferdezentrum als Lagerfläche an.
»Wir brauchen entsprechend Platz für 360 000 Jod-Tabletten, für Fahrzeuge und Arzneimittel«, sagt Jahnel. Das Pferdezentrum mit seinen verschiedenen Unterbringungsmöglichkeiten sei dafür sehr gut geeignet. So könnten in beheizbaren Räumen und der ungeheizten Halle unterschiedliche Materialien gelagert werden. Die Reithalle soll einen Asphaltboden erhalten, »der ist dann bis 16 Tonnen befahrbar«. Ein großer Vorteil sind eine Küche und Sanitärräume, schließlich ist solch ein Katastrophenschutzzentrum auch Sammelort bei Einsätzen. Kreisbrandinspektor Dr. Sven Holland erinnerte daran, dass sich die Helfer zur Fahrt in das Ahrtal nach der Flutkatastrophe an der Hessenhalle getroffen haben.
Wichtig ist die Autobahnabfahrt in der Nähe, für die Notfall-Logistik »bietet sich der Standort Alsfeld immer wieder an«. Dabei verweist Holland auch auf größere Waldbrände, Überschwemmungen und einen möglichen Busunfall auf der Autobahn. Für größere Notfälle braucht es Platz zum Arbeiten und Reserven an Material.
Debatte um Kauf oder Miete
Landrat Görig erinnerte daran, dass bei der Betreuung von Flüchtlingen im Jahre 2015 »in einer Woche das gesamte Sanitätsmaterial aus dem Vogelsberg verbraucht wurde«. Dann mussten Reservebestände aus dem Kreiskrankenhaus geholt werden. »Es ist unklar, was noch so alles kommt.« Denn Bund und Land würden immer wieder die Verantwortung auf die kommunale Ebene abschieben. Für Notfälle sei es gut, auf ein Zentrallager mit Material zurückgreifen zu können. Ein Teil des Notfall-Materials ist bereits in hinteren Stallbereichen des Pferdezentrums untergebracht. Andere Dinge sind im Keller des Landratsamts Lauterbach gelagert, wie Jahnel mit Fotos aufzeigte. Geplant ist nun, zusätzlich die Reithalle und die vorderen Stallungen für die Lagerung zu nutzen. Insgesamt dreht es sich um knapp 2500 Quadratmeter Fläche.
Die Notwendigkeit eines solchen Zentrallagers stellten die Kreispolitiker nicht infrage. Vielmehr wurde thematisiert, ob nicht ein Kauf sinnvoller ist als die langfristige Miete. So regte Friedel Kopp (FW) an, den Kauf des Reitzentrums als Option zu untersuchen. Der Kauf wäre kein Problem, »wenn ich Geld hätte«, sagte Görig unumwunden. Allerdings handele es sich um eine große Fläche mit dem Grundstück und es müsse über Kredite finanziert werden.
Dieter Welker (FW) schlug vor, die Kosten für eine längere Mietdauer gegenüber einem Kauf mit einer Finanzierung über 20 Jahre hinweg zu prüfen. Matthias Weitzel (SPD) meinte, man habe ja bei einer Anmietung fünf Jahre Zeit, über einen möglichen Kauf zu verhandeln.
Dass der Bedarf geringer wird, schließt Görig aus. »Was die zivile Verteidigung im Land angeht, stehen wir noch ganz am Anfang.« Da komme einiges auf den Kreis zu, zumal Bund und Land erfahrungsgemäß gerne Versorgungsaufträge auf die kommunale Ebene abwälzten.