Uns droht nicht der Weltuntergang, aber wir werden gravierende Verluste der Lebensqualität erleiden. So beschreibt Prof. Dr. Volker Mosbrugger den aktuellen Zustand der Welt angesichts von Klimawandel, Aussterben von Tieren und Pflanzen und neuer Krankheiten. Wir müssen endlich die Leistungen der Natur in unsere Preise einbeziehen, um einen stabilen Zutsand zu erreichen, forderte der ehemalige Generaldirektor der Senckenberg-Gesellschaft Frankfurt bei einem Vortrag des Rotary-Clubs Alsfeld in der Max-Eyth-Schule.
Dabei spannte der Chemiker und Biologe einen weiten Bogen, um zu zeigen, in wie vielen Bereichen die Lage kritisch ist. Positiv merkte er an, dass die Menschheit in den letzten 150 Jahren eine beeindruckende Entwicklung genommen hat. Der Index der menschlichen Entwicklung der UN startet für 1870 bei Null, inzwischen ist er in Deutschland auf 0,8 gestiegen, in vuielen Läöndern liegt er zwischen 0,4 und 0,6. »Es geht uns besser als je zuvor«, was Lebenserwartung, Wohlstand und Ausbildung angeht. Gleichzeitig ist die Zahl der Menschen auf über 8 Milliarden angestiegen.
Die Kehrseite der Entwicklung ist eine zu starke Belastung der Ressourcen der Welt. Jeder Deutsche hinterlässt rechnerisch pro Jahr einen »ökologischen Fußabdruck«, der die Ressourcen von drei Erden benötigt. »Am 4. Mai haben wir die Ressourcen für ein ganzes Jahr verbraucht«, erläutert Mosbrugger. Global werden jährlich so viele Rohstoffe verbraucht, dass man 1,7 Erden benötigt.
Erst wenn die Menschheit nur so viel verbraucht, wie nachwächst, »leben wir nachhaltig«. Im Moment ist abzusehen, dass der Wohlstand einbrechen wird. Dazu verwies der Biologe auf die Dynamik, die das Mengenverhältnis der Jäger zur Beute abbildet. Danach nimmt bei einer steigenden Zahl an Hasen auch die Zahl der Füchse zu. Wenn zu viele Füchse auf der Jagd sind, bricht die Population der Beutetiere ein und etwas später auch die Menge an Räubern.
»Jetzt sind wir an dem Punkt, von dem es langsam bergab geht«, sagt Mosbrugger. Mehr Krankheiten und Hunger sind zu erwarten, der Klimawandel wird dazu führen, dass Wüsten wachsen und weite Küstenbereiche geräumt werden müssen. Allein durch den Anstieg der Meeresspiegel werden in den nächsten 70 Jahren 190 bis 630 Millionen Menschen ihr Zuhause verlieren. Immer mehr Tier- und Pflanzenarten sterben aus.
Um dem entgegen zu wirken, müssen die »externen Kosten« unserer Wirtschaft ermittelt und auf die Verkaufspreise der Produkte aufgeschlagen werden. »Wir haben heute eine soziale Marktwirtschaft und brauchen eine ökosoziale Marktwirtschaft.« Ziel ist dabei, das Naturkapital zu erhalten und nur den Überschuss abzuschöpfen.
Damit haben schon einige Konzerne angefangen. So hat BASF eine neue Bilanz erstellt, die neben dem reinen Wirtschaftsergebnis das »Humankapital« ausweist. Dabei geht es um eine Abschätzung, wie gut die Mitarbeiter berücksichtigt werden. Zudem wird ein »Umweltkapital« erstellt, das ein starkes Defizit aufweist. Das zeige, dass der Natur einiges entnommen wird, die Kosten aber dan der Allgemeinheit zur Last fallen.
Eine andere Berechnung zeigt auf, dass die Landwirtschaft in Deutschland 90 Milliarden Euro an externen Kosten verursacht, die bislang nicht entgolten werden. Wenn man diese externen Kosten auf die Verkaufspreise draufschlägt, müsste besonders der Rindfleischpreis rasant ansteigen. Das gilt allerdings nicht für das Vogelsberger Ökorind, das auf der Wiese grast.
Wie Mosbrugger erläutert, hätte ein solches Wirtschaftsmodell den Vorteil, dass nicht mehr wie bislang die Allgemeinheit für Naturkosten aufkommen muss. Ein weiterer Vorteil ist, dass Landwirte und Waldbesitzer dafür bezahlt werden können, »was sie für die Natur leisten«. So kann auch die Schonung des brasilianischen Regenwaldes eingerechnet werden.
Beeindruckt von dem umfangreichen Spektrum des Vortrags zeigte sich Heinz Stein, Präsident des Rotary-Clubs Alsfeld, als Gastgeber. Da Mosbrugger seinen Zug erreichen musste, blieb wenig Zeit zur Diskussion mit den rund 100 Gästen von Rotary-, Lions- und Soroptimist-Clubs. Ihnen gab Mosbrugger mit auf den Weg, dass sie im Garten mehr Gelassenheit walten lassen sollten. Da könne auch mal ein Löwenzahn gedeihen und der Rasen muss nicht jede Woche gemäht werden.