27. Januar 2021, 21:47 Uhr

Eltern und Netz überlastet

Kinder lernen von anderen Kindern - besonders kleine Kinder und solche im Grundschulalter. Deshalb kann Homeschooling nur Wissen vermitteln, das Gemeinschaftsgefühl bleibt auf der Strecke. Und wenn bei Grundschülern am heimischen PC die Unterstützung fehlt, werden sie zu »Coronaopfern«, wie es Andrea Schulz ausdrückt. Die stellvertretende Leiterin der Nieder-Ohmener Grundschule stemmt sich mit Kollegen und Eltern vehement dagegen.
27. Januar 2021, 21:47 Uhr
Avatar_neutral
Von Jutta Schuett-Frank
Das Gemeinschaftsgefühl im Unterricht bleibt in diesen Tagen auf der Strecke. Eltern und Lehrer müssen wie an der Grundschule Nieder-Ohmen dafür sorgen, dass Kinder nicht zu weiteren Opfern in der Corona-Pandemie werden. FOTO:SF

Für die Fitten war das ein komisches Schuljahr, »bei denen stehen am Freitag auch Einser und Zweier im Zeugnis.« Andrea Schulz übernimmt nicht die verbreitete Meinung, dass das laufende Schuljahr für Schüler ein verlorenes ist. Aber es bleiben nach ihrem Eindruck auch Kinder auf der Strecke. »Die bleiben nicht sitzen, aber ein freiwilliges Wiederholen wird schon überlegt. So werden sie zu ›Coronaopfern‹, auch wenn sich Kinder und Eltern im Homeschooling bemüht haben. Ich habe schon Eltern am Telefon gehabt, die haben geweint«, berichtet die stellvertretende Schulleiterin. Dann tröstet Schulz und regt an, dass die Kinder wenigstens für zwei Tage pro Woche in die Schule geschickt werden. »Wir arbeiten das auf«, beruhigt sie verzweifelte Eltern.

Nach den Sommerferien startete man zunächst mit Präsenzunterricht bis zu den Weihnachtsferien. Mit dem zweiten Lockdown wurden die Eltern im neuen Jahr gebeten, ihre Kinder, wenn dies möglich ist, daheim zu unterrichten. So sind von 113 Kindern nur durchschnittlich 25 im Präsenzunterricht. In manchen Klassen ist es nur ein Kind, in anderen sind es auch mal sechs oder sieben. Diese Grundschüler arbeiten ihr Pensum ab und haben nach Schulschluss nur noch wenige Hausaufgaben zu erledigen.

Für die Kinder im Homeschooling gibt es nach Angaben von Andrea Schulz verschiedene Möglichkeiten, an ihre Wochenpläne und Aufgaben zu kommen. Im Schuleingangsbereich werden namensbezogene Taschen hingestellt, gefüllt mit Unterrichtsaufgaben und Arbeitsblättern. Freitags werden dann die Hausarbeiten wieder an der Schule abgegeben, die, so sagt Andrea Schulz, dann leider nicht immer vollständig sind.

Eine weitere Möglichkeit ist das Versenden von Aufgaben über E-Mail, auch wird Whats-App genutzt, und schließlich gibt es die Plattform IServ, die seit immerhin 20 Jahren erprobt ist. Allerdings: Als nach den Weihnachtsferien Schulen und Schüler darauf zugriffen, gab es Probleme, die Technik war überlastet.

Die Kinder, die das Unterrichtsangebot in der Schule wahrnehmen, kommen nach Erfahrung von Schulz oft deswegen, weil die Eltern arbeiten gehen. Ein kleiner Anteil werde an zwei Tagen in die Schule geschickt, um wieder einmal Bezug zu Mitschülern und Lehrern zu haben. So könne auch mangelnde Unterstützung im Elternhaus ausgeglichen werden.

Schüler brauchen Hilfe am Computer

»Wenn ich an meine Abschlussklasse denke, die tun mir leid«, sagt Schulz. Es habe wegen Corona keine Klassenfahrt gegeben, »und die 21 bildeten eine tolle Klasse«. Zum 1. Februar geht zudem der Mathematiklehrer. Aber auch das bekommt Schulz in den Griff: »Ich habe meine Stundenzahl aufgestockt und unterrichte Mathematik selbst - meiner Kinder zulieb«, betont sie.

Die Pandemie hat den Stellenwert von Arbeiten und Lernen online deutlich gemacht. Aber in welchem Umfang können Grundschüler mit dem PC arbeiten? »Begrenzt«, sagt Schulz, »es gibt fitte im ersten Schuljahr, aber Kinder alleine am Rechner ist schwer, man braucht zum Beispiel Hilfe der Eltern beim Einloggen. Bei den Zehnjährigen, die jetzt normalerweise Computerunterricht hätten, würden auch einige Homeschooling am PC alleine nicht schaffen. Aber mit zunehmendem Gebrauch werde es immer besser. Homeschooling klappt in einigen Fällen auch nicht, weil die Schüler keinen Zugriff auf die nötigen Geräte haben. Zwar verfügt die Schule über 26 iPads aus Landesmitteln, die sind aber nur für den Gebrauch in der Schule. Für zu Hause gab es acht weitere Tablets, Schulz hält weitere 20 für sinnvoll. Die könnten zum Beispiel kinderreiche Familien gut gebrauchen.

Technische Ausstattung lässt nicht nur bei Schülern zu wünschen übrig, auch im Kollegium gibt es Ergänzungsbedarf. Schulz hat zwar ein iPad, aber das ist älter und funktioniert nicht mit IServ, eine Kollegin habe ein Laptop, das sei noch älter, und damit klappe es auch nicht. Neue Laptops sind vom Land angekündigt, stehen aber noch aus. Aber auch moderne Geräte zu Hause bedeuten nicht zwangsläufig einen Zugriff auf Daten. In Nieder-Ohmen hat man nach Angaben von Schulz kein schnelles Internet, zudem sei das WLAN in der Schule langsam.

»Die Lehrer können nicht, wenn sie hier fertig sind, die anderen Schüler zur Videokonferenz einladen, das geht einfach nicht. Dann fahren die Kollegen nach Hause und bieten es von dort aus an. Allerdings: In Bernsfeld werden die Kinder mangels hinreichendem Netz oft aus IServ geschmissen. Das kann man nicht schönreden. Ich will mich nicht beschweren, aber wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen. Man erreicht nicht alle.«



0
Kommentare | Kommentieren

Bilder und Videos