Die junge Demokratie erklärte Erwachsenenbildung zur Pflichtaufgabe, und die Stadt Gießen gehörte zu den ersten, die sie in Angriff nahmen. Das 100-jährige Jubiläum sei wahrlich ein »Anlass zum Feiern«, sagte Waltraud Burger, Leiterin der städtischen Volkshochschule, beim abschließenden Festakt im Alten Schloss. 70 Gäste erlebten eine unterhaltsame Zeitreise und nachdenkliche Reden über eine Institution, die gerade jetzt an Bedeutung gewinne.
Die Volkshochschule war »ein Ergebnis von, aber auch eine Werkstatt für Demokratie«, blickte Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz (SPD) zurück ins Jahr 1919. Die Weimarer Republik wollte damit ein neues Staatsverständnis fördern, das auf »mündige Bürger« statt auf Untertanengeist setzte.
Verträge für Dozenten verbessern
Leider begegne sie immer wieder dem Urteil, dass berufliche Bildung mehr wert sei als beispielsweise kulturelle, sagte Grabe-Bolz und bekannte, sie habe »seit meinem 17. Lebensjahr kaum je ein VHS-freies Jahr erlebt«: Nicht nur als junge Deutschlehrerin und 21 Jahre lang als pädagogische Mitarbeiterin der Kreisvolkshochschule, sondern auch als Teilnehmerin zahlreicher Kurse habe sie von dem Angebot profitiert.
Stadträtin Astrid Eibelshäuser (SPD) als zuständige Dezernentin erinnerte an die Wurzeln der Idee in Arbeiterbildungsvereinen. Sie sei »froh«, dass es vor acht Jahren gelungen sei, eine Verschmelzung der Volkshochschulen von Stadt und Kreis abzuwenden, die die damalige Stadtregierung aus CDU, FDP und FW vorgeschlagen hatte.
Als eine Herausforderung der nächsten Jahre nannte Eibelshäuser bessere Arbeitsbedingungen derjenigen Dozenten, für die ihre Lehrtätigkeit der Hauptberuf ist. Dies könnten die Kommunen nicht allein auf den Weg bringen. Die Integration von Zuwanderern und digitale Lernkonzepte seien weitere Zukunftsaufgaben. Zugleich müsse man zu den Wurzeln zurückkehren: In Zeiten, in denen die Demokratie gefährdet sei, müsse politische und gesellschaftliche Bildung »verstärkt« zum Kern des VHS-Angebots gehören, mahnte Eibelshäuser.
In szenischer Form ließen Ulrike Krautheim und Rita Rohrbach Aktionen und Akteure aus der Gießener VHS-Geschichte lebendig werden. Sie hatten sie gemeinsam mit Hans Jobst Krautheim erforscht, das Ergebnis ist nun als Festschrift erschienen.
»Entwicklungslinien und Herausforderungsverhältnisse« der »Erfolgsgeschichte« VHS beleuchtete Klaus Heuer aus Darmstadt. Er wies darauf hin, dass es bei der Machtübernahme der Nazis 1933 nicht nur Brüche, sondern auch Kontinuitäten gegeben habe. Befragungen von Studierenden hätten ergeben, dass gerade Migranten die VHS mit einem »respektvollen Umgang« verbinden.
Der Festakt wurde musikalisch gestaltet vom Hornensemble »Just for fun«.