Es geht oft eng zu in den beiden Gießener Frauenhäusern, allzu eng. Der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) musste im vergangenen Jahr 132 Interessentinnen mit 101 Kindern abweisen, das Autonome Frauenhaus 80 Gewaltopfer. Dennoch sei die Lage in Gießen vergleichsweise entspannt. Land und Bund müssten eine flächendeckende Versorgung vorantreiben: Darüber herrschte Einigkeit bei einer Podiumsdiskussion am Montag im Vortragsraum der Kongresshalle.
Rund 30 Interessierte waren der Einladung der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) gefolgt. Im Rahmen des Programms zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen beantworteten Expertinnen die Frage »Frauenhäuser in Not?« grundsätzlich mit Ja. »Für viele Frauen ist ihr Zuhause kein sicherer Ort«, unterstrich die AsF-Vorsitzende Nina Heidt-Sommer als Moderatorin. Es sei Aufgabe der Kommunen, ihnen zu helfen.
»Häusliche« Gewalt sei »allgegenwärtig«, bestätigte die SPD-Landtagsabgeordnete Lisa Gnadl aus der Wetterau: Im Jahr 2017 seien es bundesweit 8500 Opfer gewesen, 82 Prozent davon Frauen. Gnadl schilderte, wie schwierig es gewesen sei, von der schwarz-grünen Landesregierung Zahlen zur lückenhaften Versorgung zu erhalten. Gemessen an der »Istanbul-Konvention«, der Deutschland 2018 beigetreten ist, wären in Hessen 625 Zimmer nötig, fast doppelt so viele wie die 313 vorhandenen.
24 Frauenhaus-Plätze gibt es in Gießen, 16 davon im Autonomen Frauenhaus, finanziert durch Land und Kreis. Dabei sind aber die Betten für Kinder mitgezählt. So verteilen sich die acht Plätze beim SkF auf drei Zimmer. Laut der Menschenrechtskonvention bedeutet dies: Drei Frauen können untergebracht werden.
Landrätin Anita Schneider (SPD) wies auf die ständig steigenden Zuschüsse des Landkreises und die geplante Ausweitung um zwei halbe Stellen hin. Das Bundesfamilienministerium wolle in den nächsten Jahren 30 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr in den Gewaltschutz stecken. Es sei aber noch unklar, wie das Geld verteilt wird. Nötig wäre eine verlässliche Finanzierung, die auch in ländlichen Gebieten ankommt. So hat der Vogelsbergkreis seit der Kürzung der Landeszuschüsse vor 16 Jahren kein Frauenhaus mehr.
Friederike Stibane, Frauenbeauftragte der Stadt Gießen, verwies darauf, dass die Istanbul-Konvention übergeordnete »Aktionspläne« fordert.
Lob für Wohnbau
Kerstin Pfeiffer (Autonomes Frauenhaus) und die SkF-Geschäftsführerin Yvonne Fritz erklärten, auch in Gießen sei ein Hauptproblem der Mangel an bezahlbaren Wohnungen. Deshalb bleiben viele monatelang, manche ein Jahr im Frauenhaus, bis sie ihren Platz für einen akuten Fall frei machen können. Die Wohnbau sei guten Willens, betonten beide Fachfrauen. Die städtische Gesellschaft müsse aber vielfältige Notfälle versorgen, es gebe oft Wartezeiten.
Die Vereinsvertreterinnen betonten, dass sie sich auch um diejenigen Frauen kümmern, die in ihren Einrichtungen vorerst nicht unterkommen können. Für sie würden Plätze anderswo gesucht. An einer Lösung für Notfälle werde derzeit gearbeitet.
Pfeiffer forderte, Ausländer- und Sorgerecht müssten an die Istanbul-Konvention angepasst werden. Derzeit könnten Väter schnell herausfinden, wohin »ihre« Frau geflüchtet ist. Oft mit fatalen Folgen, wie jüngst der Axtmord auf offener Straße in Limburg zeigte.