Das eigene Immunsystem gerät aus dem Takt und verursacht Krankheiten, die oft erst spät erkannt werden: Sogenannte autoimmune Lebererkrankungen stehen heute im Mittelpunkt beim 20. Deutschen Lebertag. »Jeder Tag ist Lebertag«, mahnen der Schwerpunkt Gastroenterologie am Uniklinikum Gießen, die Gastro-Liga und die Deutsche Leberstiftung. Sie weisen hin auf aktuelle Diagnose- und Therapiemöglichkeiten und rufen dazu auf, jede Leberwerterhöhung über längere Zeit als Anlass zu weiterer Diagnostik zu nehmen. Dabei sollte man auch an seltene autoimmune Lebererkrankungen denken.
Oft Transplantation notwendig
Die Leber ist das größte Organ im Körper des Menschen mit vielfältigen Aufgaben. Das zentrale Entgiftungs- und Stoffwechselorgan gleiche einem »Kraftwerk«, deren Funktionen bislang von keiner medizinischen Apparatur über einen längeren Zeitraum übernommen werden können, so die heimischen Fachleute.
»Häufig verursachen autoimmune Lebererkrankungen über einen langen Zeitraum keine oder nur sehr unspezifische Symptome wie Müdigkeit oder Juckreiz - und werden deshalb erst spät erkannt«, sagt Prof. Elke Roeb, Abteilungsleiterin Gastroenterologie am Universitätsklinikum und Vorsitzende des Kuratoriums der Deutschen Leberstiftung. »Dieses späte Erkennen in einem bereits fortgeschrittenen Stadium ist für Therapie und Verlauf ungünstig.«
Bei der Autoimmunhepatitis (AIH) entsteht eine chronische Entzündung, weil das Immunsystem die eigenen Leberzellen für »körperfremd« hält. Die Symptome dieser seltenen Erkrankung, die in jedem Alter - auch bereits bei Kindern - auftreten kann, sind vage. Frauen erkranken wesentlich häufiger als Männer. Die chronische Leberentzündung kann zu einer Gewebeveränderung (Fibrose) führen, die unbehandelt in einer Leberzirrhose endet.
Bei der Primär Biliären Cholangitis (PBC) verursacht eine gestörte Aktivität des Immunsystems eine Entzündung der Gallengänge in der Leber. Die Krankheit, die vor allem bei Frauen mittleren Alters auftritt, kann bislang noch nicht geheilt werden. Diagnostiziert wird sie durch Blutuntersuchungen. Eine dauerhafte Therapie mit einer modifizierten Gallensäure (Ursodesoxycholsäure, UDCA), die eine Art »Schutzfilm« entlang der Gallenwege bildet, ist häufig erfolgreich, wenn sie rechtzeitig begonnen wird. Wenn nichts anderes mehr hilft, kann eine Lebertransplantation notwendig werden. Aktuelle Studienergebnisse belegen für PBC-Patienten ein um mehr als das 31-Fache erhöhtes Risiko für Leberzellkrebs.
Die Primär Sklerosierende Cholangitis (PSC) ist eine Entzündung der Gallenwege, die häufig zusammen mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung vorkommt und häufiger Männer als Frauen betrifft. Unbehandelt kann sie in eine Zirrhose übergehen. Auch das Risiko, ein Gallengangskarzinom zu entwickeln, ist erhöht. Eine PSC ist schwer zu diagnostizieren, oftmals nur mit einer speziellen Kernspintomografie oder über eine endoskopische Darstellung der Gallenwege.
Roeb appelliert an Patienten, Angehörige und Hausärzte: »Es wäre fahrlässig, wenn wir die Möglichkeiten, die wir in Deutschland haben, nicht nutzen würden, um Leberzirrhosen und Lebertransplantationen zu vermeiden.«