17. November 2019, 17:43 Uhr

Frieden als frommer Wunsch

17. November 2019, 17:43 Uhr
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Von Christian Schneebeck
Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz und Stadtverordnetenvorsteher Frank Schmidt legen einen Kranz am Ehrenmal auf dem Deutschen Soldatenfriedhof nieder. (Foto: csk)

Ein Kranz wäre mit Sicherheit zu wenig. Schließlich wolle man nicht nur an die in den Weltkriegen gestorbenen Soldaten erinnern, betonte Pfarrer Andreas Specht gestern bei der Gedenkstunde des Magistrats zum Volkstrauertag auf dem Neuen Friedhof. Gleichzeitig ehre man auch alle anderen Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, darunter getötete Zivilisten, politisch Verfolgte und Fremdarbeiter. Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz verknüpfte das Gedenken an die Toten mit einer Mahnung für alle Lebenden. »Wir müssen feststellen: Nie wieder Krieg, das ist ein frommer Wunsch.«

Dankbarkeit für Friedensjahre

In Syrien und Irak, Jemen und etlichen weiteren Ländern fielen auch heute noch Bomben, sagte sie. Dass Deutschland seit mehr als 70 Jahren in Frieden lebe, dürfe das Leid an anderen Orten der Welt nicht aus dem Bewusstsein verdrängen. Deshalb stellte Grabe-Bolz die Frage nach der weltpolitischen Verantwortung: »Haben wir alles getan, damit nie wieder Krieg ist? Haben wir uns um Recht und Gerechtigkeit für die ganze Welt gekümmert? Haben wir mit unserem Wohlstand versucht, alle mitzunehmen?«

Um Trauer zu empfinden, bedürfe es »keiner direkten Verwandtschaft und keiner gemeinsamen Nationalität«, betonte die OB. Vielmehr seien alle Menschen verpflichtet, »auf die Ursachen für die schrecklichen Ereignisse hinzuweisen und daraus Lehren zu ziehen«. Keineswegs wolle sie den Deutschen die »Dankbarkeit für die Jahre von Frieden und Freiheit nehmen«. Aber: »Ich spüre in den vergangenen Jahren, dass sie noch viel demütiger ausgesprochen werden sollte, als wir es oft getan haben.«

Specht verlas die Fürbitten und nahm die Totenehrung vor. Zuvor beleuchtete er die Ambivalenz soldatischen Handelns. Zwar brauche eine Gesellschaft das Militär. Gleichwohl wisse sie, »welches große Leid und Unrecht entstehen kann, wenn Soldaten Gewalt anwenden müssen«. Durch Krieg und Gewaltherrschaft Gestorbene zu ehren heiße, »sie ernst und wichtig genug zu nehmen, dass wir uns von ihnen beeinflussen lassen«. Dann, sagte Specht, entdecke jeder »ein Stück weit sich selbst« in den Toten, »in ihren Hoffnungen und Ängsten, in dem, was sie taten, und in dem, was sie nicht taten«.

Nach der Totenehrung legte Oberbürgermeisterin Grabe-Bolz mit Stadtverordnetenvorsteher Frank Schmidt einen Kranz am Ehrenmal auf dem Deutschen Soldatenfriedhof nieder. Es folgte das Bezirksverbindungskommando der Bundeswehr. Und auch an alle, die in fremden Uniformen oder als Zivilisten durch Gewalt und Krieg starben, erinnerte Gießen gestern: Weitere Kränze legten Grabe-Bolz und Schmidt daher am Friedhof für ausländische Soldaten, dem Friedhof für die Bombenopfer sowie jenem für Fremdarbeiter nieder, zudem am Mahnmal für die deportierten und ermordeten Juden der Stadt. Auf dem Rathausvorplatz gedachten sie aller Opfer des Naziregimes. Musikalisch begleitete der Gießener Bläserkreis unter der Leitung von Alfred Joswig die Gedenkstunde.

Kranzniederlegungen in Stadtteilen

In den Stadtteilen fanden gestern ebenfalls Veranstaltungen zum Volkstrauertag statt. In Rödgen sprach Stadtrat Johannes Zippel, ehe er mit Ortsvorsteherin Elke Victor einen Kranz auf dem Friedhof niederlegte. Im Gießener Stadtteil Allendorf hielt Stadtrat Wolfgang Sahmland eine Rede und nahm die Kranzniederlegung mit Ortsvorsteher Thomas Euler vor.

In Lützellinden sprach Bürgermeister Peter Neidel auf dem Friedhof, wo er mit dem Ortsvorsteher Markus Sames einen Kranz niederlegte. In Wieseck erinnerte Stadträtin Astrid Eibelshäuser zusammen mit Ortsvorsteher Wolfgang Bellof an die Kriegsopfer. In Kleinlinden folgte auf eine Lesung von Gedenkworten die Kranzniederlegung mit Stadträtin Monika Graulich und Ortsvorsteher Dr. Klaus Dieter Greilich.



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