03. Februar 2023, 20:37 Uhr

»Werden keine Soldaten schicken«

03. Februar 2023, 20:37 Uhr
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Aus der Redaktion
Ein offenes Ohr für Marburg: Beim Bürgerdialog steht Bundeskanzler Olaf Scholz den Bürgerinnen und Bürgern Rede und Antwort. FOTO: DPA

- Zwischen Panzerlieferungen und Diplomatie: Das Thema, das den von der Oberhessischen Presse organisierten Bürgerdialog mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Marburg dominierte, war der Russland-Ukraine-Krieg. Und der Regierungschef gab im Lokschuppen am Donnerstag eine Garantie: »Wir werden keinesfalls Soldaten schicken.« Einer der 150 Menschen, die aus Marburg und dem Landkreis Marburg-Biedenkopf kamen und von denen etwa zwei Dutzend Fragen stellten, ist Martin Gronau. Er befürchtet nach Panzer- und nun diskutierten Jet-Lieferungen eine »Eskalationsspirale, die immer weitergeht« und forderte von Scholz mehr Diplomatie. Der Kanzler konterte, dass es stets »abgewogene Schritte« gebe, um eben eine direkte NATO-Beteiligung zu verhindern. »Wir werden jede Eskalation vermeiden, die zu einem direkten Kampf mit russischen Truppen führt.«

Gleichzeitig betonte Scholz, dass er weiterhin in Kontakt mit Russlands Staatschef Wladimir Putin stehe, es immer mal wieder telefonische Gespräche gebe. Es sei an Russland, das die Ukraine angegriffen habe und weiter sogar zivile Infrastruktur angreife, den »Schritt zur fairen Verständigung« zu gehen.

Obwohl das Kriegsthema einen großen Raum im Bürgerdialog einnahm, gab es auch andere Interessen unter den 150 Besuchern: vor allem das Gesundheitssystem, die Zukunft des Wohnungsbaus und Corona-Folgen. Und das sagt Scholz zu:

Energie- und Handelspolitik: Scholz bekräftigte den Atom-Ausstieg im April. »Dann ist Schluss.« Klar sei, dass man als Industrienation und bei laufender Elektrifizierung vieler Bereiche »immer mehr Strom« brauche. Aber das solle eben mit massivem Ausbau von Wind- und Solaranlagen - aber auch dem dauerhafteren Betrieb von LNG-Terminals, wie in Wilhelmshaven mit Kirchhainer Beteiligung entstanden - abgedeckt werden. Und in Zukunft werde Energie dann auch für Privathaushalte wieder günstiger.

Grundsätzlich werde Deutschland »nicht mehr alle Eier in einen Korb legen«. Man wolle »nicht mehr der Verführung erliegen, das zu nehmen, was billiger ist«. Und dieses Prinzip werde man nicht nur auf dem Energie-, sondern auf dem Rohstoffmarkt insgesamt verfolgen. Heißt für Bürger aber auch: »Das wird dauerhaft ein bisschen teurer.« Langfristig werde Deutschland aber »profitieren«.

Wohnungsbau und Einwanderung: Der Calderner Bauunternehmer Michael Grebe will von Scholz wissen, wie angesichts der »historisch hohen Preise« noch Neubau, gar 400 000 Wohnungen pro Jahr geschaffen werden sollen. Scholz: »Wir haben 1972 schon mal 800 000 Wohnungen in einem Jahr gebaut. Weil wir eben viele brauchten. Das können wir wieder schaffen.« Obwohl die Preise hoch seien, würde der Staat das ausgegebene Ziel »konstant verfolgen« und »nie wieder weniger« bauen als 400 000 jährlich.

Als es Anna Kahl um die Bekämpfung von Fluchtursachen geht, spricht sich Scholz neben der Erhöhung der Entwicklungshilfe für ein Einwanderungsgesetz aus. Er wolle »legale Wege der Migration«.

Gesundheit und Digitalisierung: Die Kirchhainer Ärztin Dr. Johanna Liebmann kritisiert »unausgereifte Digitalisierung«, Bürokratie und die Doppelung von ständig steigenden Kosten und Mehraufwand. Die Probleme der Hausärzte würden »nicht gesehen«. Scholz versichert: »Sie werden gesehen.« Und es stimme zwar, dass Projekte wie Digitalrezept und Patientenakte so schon jetzt kaum mehr zeitgemäß seien. Das liege aber daran, dass die Umsetzungen zu lange dauerten.

Rebecca Pflückhahn, die am Universitätsklinikum Gießen-Marburg arbeitet, wollte vom Kanzler wissen, warum es für viele Krankenhausfachkräfte etwa in der Notfallmedizin keine Corona-Prämien gebe. Scholz wich aus, sagte: »Eigentlich müsste man überall was tun. Ich will eine langfristige Reform, die es für Krankenhäuser insgesamt besser macht, das Arbeiten besser wird und sich einzelne Bereiche nicht benachteiligt fühlen.«

Soziales: Ähnlich vage blieb er auch bei Monika Hainbach-Roßbachs Anliegen im Bildungs- und Erziehungsbereich sowie Corona-Folgen speziell für Familien mit Kindern. Sozialberufe müssten »attraktiver« werden bei Bezahlung, Rahmenbedingungen und Anerkennung; Kitas auch personell ausgebaut werden. Björn Wisker



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