Geschlossene Läden, leer stehende Verkaufsflächen und die Suche nach neuen Konzepten: Die Corona-Pandemie ist auch an den Einkaufsstraßen in den Innenstädten nicht spurlos vorübergegangen. Ladenbesitzer oder Gastronomen mussten ihre Geschäfte aufgeben. Große hessische Kommunen wie Frankfurt, Kassel, Wiesbaden, Darmstadt, Hanau oder Fulda berichten von Leerständen in den Innenstädten. Teils seien diese aber nicht so groß, wie zu befürchten war. »Dass die Innenstädte und der Handel unter Druck sind, das war schon vor Corona so«, sagte der Hauptgeschäftsführer des hessischen Handelsverbandes in Frankfurt, Sven Rhode.
Pop-up-Flächen
Konkrete Zahlen zu Ladenschließungen gibt es Rohde zufolge noch nicht. Aber der Trend zu einer Umstrukturierung der Innenstädte sei durch die Pandemie um sieben bis acht Jahre beschleunigt worden. »Dieser Druck jetzt heißt, dass viele Kommunen nicht vorbereitet sind.«
Die Einkaufsstraßen sind in einem Wandel, der nach Auffassung von Städten und Kaufleuten auch ohne die Pandemie gekommen wäre, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. In einem Projekt »Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren« konnten Kommunen Bundesmittel für innovative Konzepte bekommen.
»Aus meiner Wahrnehmung ist Corona hier der Katalysator einer zwingenden Entwicklung«, sagte der Vorsitzende der City Kaufleute Kassel, Alexander Wild. Die Zentrallagen würden sich zunehmend verändern, durch die HomeofficeEntwicklung sei auch ein Rückgang der Büroflächen zu erwarten. Eine Entwicklung, die man auch in anderen Städten sieht. »Corona hat das Ganze beschleunigt«, sagte Daniel Freimuth von der Hanauer Marketing GmbH. In Hanau habe man die Frage der Innenstadtentwicklung schon 2019 gestellt und als eine der ersten Kommunen ein Vorkaufsrecht beschlossen.
»Wir sind involviert in alle Verkäufe. Das gibt uns einen Hebel in die Hand«, sagte Freimuth. So könne man Immobilienspekulationen vorbeugen - und keiner wolle das nächste Nagelstudio oder den nächsten Handy-Laden. So sei in einem früheren Schuhgeschäft in Toplage nun der Kunstkaufladen »Tacheles« eingezogen. Dort können Künstlerinnen und Künstler aus der Region ihre Arbeiten ausstellen und verkaufen. So habe der Besitzer Leerstand vermieden - und komme ein neuer Interessent für das Ladengeschäft, werde der Kunstkaufladen in einer anderen leer stehende Immobilie untergebracht. Ein Mittel seien auch sogenannte Pop-up-Flächen, also kurzfristige Mietverträge mit wechselnden Angeboten in den Geschäften.
Ein Modell, dass auch Alexander Wild sieht. »Hier ist teilweise gewünscht, die Fläche in Pop-up-Flächen zu nutzen, mit immer neuen Anbietern beziehungsweise Angeboten«, sagte er. »Die Kunden möchten mehr Entertainment, mehr Wechsel, mehr Anreize, die Innenstädte zu besuchen.« Von Leerständen berichten alle Kommunen. Doch ist das Ausmaß offensichtlich bei Weitem nicht so groß wie zu Beginn der Pandemie befürchtet. Städte wie Fulda, Darmstadt, Gießen oder Wiesbaden berichten über Fluktuation in den Innenstädten. »Bislang halten sich die Schließungen und Neueröffnungen die Waage, sodass die Leerstandsquote in der Darmstädter Innenstadt erfreulich niedrig ist. Das hat uns positiv überrascht«, sagte eine Sprecher.
»Im zweiten Jahr der Pandemie hat sich bisher die Zahl der Leerstände - sowohl im Einzelhandel wie auch in der Gastronomie - eher positiv entwickelt«, heißt es in Wiesbaden. Allerdings nahmen Kommunen und Ladenbesitzer auch Geld in die Hand: Es gab Hilfsprogramme, finanzielle Unterstützungen, Mietzuschüsse, niedrigere Mieten oder Stundungen. Zum Beispiel auf der Frankfurter Zeil sind Rohde zufolge Mieten um bis zu 40 Prozent gesunken, um Leerstand zu vermeiden.
Mix ist wichtig
»Es gab schon vor Jahren die Diskussion, wie belebe ich die Innenstadt«, sagte Rohde. Corona beschleunige den Prozess. Gründe für die sinkende Attraktivität seien der OnlineHandel, demografischer Wandel und Gewerbegebiete an Stadträndern. »Wir brauchen eine Idee, der Mix ist wichtig.« Es brauche eine Mischung von Handel, Kultur, städtischen Einrichtungen, Gastronomie und Wohnen, um die Innenstädte zu beleben. Auch Wild ist sicher: »Es wird immer weniger Leute geben, die in die Innenstadt kommen, um einen Pulli zu kaufen.«