Es sei ein bisschen, wie aus dem Winterschlaf aufwachen, bekennt Intendantin Carola Unser vor der ersten Vorstellung am Nachmittag im Theater am Schwanhof. Sichtlich bemüht, alle Corona-Schutzmaßnahmen korrekt umzusetzen, wirkt der Auftakt wie ein Start mit angezogener Handbremse. Wie soll auch eine überschwängliche Stimmung aufkommen, wenn nur ein Viertel der sonst üblichen Theaterbesucher Platz nehmen darf?
Dabei verströmt »Ophelias Schattentheater« durchaus Charme. Das Frankfurter Theaterhaus-Ensemble setzt die märchenhafte Geschichte von Michael Ende mit viel Fantasie, allerlei Tüchern, Masken und reichlich Handtaschen anmutig in Szene. Aus diesen zaubert Fräulein Ophelia, eine liebenswert gealterte Souffleuse, die vielen heimatlosen Schatten, die sie mit ihrem hilfsbereiten Herzen nach der Schließung des Theaters bei sich aufgenommen hat und mit denen sie nun erfolgreich Dramen einstudiert. Ein anrührendes Stück für Kinder ab sechs Jahren, das hoffnungsvoll zeigt, dass Träume keine Frage des Alters sind und dass man vorm Abschiednehmen keine Angst haben muss.
Zwei Festivals in einem
»Eigentlich sind es ja zwei Festivals in einem«, erklärte Jürgen Sachs schon bei der Programmvorstellung. Als Dramaturg am Landestheater leitet er von Anfang an das Hessische Kinder- und Jugendtheaterfestival KUSS, dessen 25-jähriges Jubiläum erneut in diesem März Corona zum Opfer fiel. So ist er »froh und dankbar«, dass nun im Rahmen der Theatertage fünf ausgewählte Produktionen aus Hessen gezeigt werden können, für die der Freundeskreis des Marburger Theaters einen Preis in Höhe von 1000 Euro ausgelobt hat.
Gleich drei Preise, dotiert mit jeweils 2500 Euro, werden am Ende des Theatertreffens am 26. Juni verliehen. Ob die fachkundig besetzte Frauenjury den Beitrag vom Staatstheater Darmstadt im Erwin-Piscator-Haus würdigen wird, bleibt abzuwarten. Allzu sperrig und kopflastig kommt doch die Uraufführung aus der Feder des österreichischen Autors Volker Schmidt daher, der in Personalunion ebenfalls für die Regie und die Songs verantwortlich zeichnet. »Staatstheater represent (Wo ist Emilia G.?)« hat er sein Werk genannt, das mit Lessings Klassiker so gar nichts mehr gemein hat - sieht man mal von einigen Rollennamen ab.
Schon viel besser gesehen
Schmidt, selbst auch ausgebildeter Schauspieler, gewährt hier Einblick in die Mechanismen am Theater, das er gnadenlos demontiert. Ein einfallsloser, verzweifelter Regisseur (mit Mut, sich bloßzustellen: Thorsten Loeb) sucht die passende Besetzung der Emilia Galotti und lädt gleich drei attraktive junge Frauen mit Migrationshintergrund (Fremah Wiredu, Noé Queirard und Soukaina El Adak) zum Cas-ting ein. Hans-Christian Hegewald erfüllt als Dramaturg Marinelli alle Klischees des Prügelknaben der zum Scheitern verurteilten Produktion. Dazugesellt sich Erdal Avci, der unbedingt den Joker - bekannt aus dem gleichnamigen Film - auf der Bühne verkörpern will. Sollte dieses Chaos komisch wirken, so haben wir das schon viel besser gesehen: in Michael Frayns brillanter Komödie »Der nackte Wahnsinn«.
Neben viel Musik und Tanz - noch das Beste an dieser verquasten Inszenierung mit Laiendarstellern und Profischauspielern - gibt es allerdings eine Szene, die zutiefst berührt. Ulrike Fischer, der als 42-jähriger Schauspielerin Orsina im Ensemble gekündigt wird, weil sie zu »alt« sei, verwandelt sich in ihrem bitteren Monolog eindrucksvoll in die Rachegöttin Klytämnestra, die die Männer ewiglich verflucht.