Wiesbaden - Jeden Tag zur Mittagszeit kreisen die Vögel über der Mülldeponie Dyckerhoffbruch in Wiesbaden. Sobald die Müllautos entleert sind, schlägt ihre Stunde. Sie fliegen in die fast 4000 Quadratmeter große Halle zu den großen Haufen aus Haus- sowie Biomüll und machen sich auf die Suche nach Fressbarem. Die Entsorgungsbetriebe der Landeshauptstadt Wiesbaden (ELW) stört das nicht - und der Ornithologe Reinhard Vohwinkel freut sich. Denn in dieser Halle sammeln sich ungewöhnlich viele Schwarzmilane, die er für eine kurze Zeit fangen kann - ein ansonsten eher schwieriges Unterfangen. »Das ist einmalig in Deutschland«, sagt der ehrenamtliche Mitarbeiter der Vogelwarte Helgoland, die auch für Hessen zuständig ist.
Auf den Spuren der Vögel ist er schon viel durch die Welt gereist. Er war in Panama, um Tukane zu fangen. In Schweden stattete er Gänse mit einem Sender aus, in Spanien beschäftigte er sich mit Uhus. »Ich werde immer angefordert, wenn Leute Probleme damit haben, Vögel zu fangen«, erzählt der Fachmann mit den vielen Fangnetzen. Das kann auch mal ein Vogel sein, der sich in einen Supermarkt verirrt hat. Ein solcher Auftrag führte ihn vor einigen Jahren zum ersten Mal auf das Deponiegelände in Wiesbaden. Ein Storch hatte sich verletzt, und als Vohwinkel anrückte, sah er die Schwarzmilane kreisen. »Es waren bestimmt zehn bis 15, die in die Halle flogen«, schwärmt er noch heute. Seitdem fährt er zweimal im Jahr von seinem Heimatort im nordrhein-westfälischen Velbert nach Wiesbaden, um dort die Milane mit einem Netz kurzzeitig zu fangen.
An schlechten Tagen sind es fünf Tiere, an guten gehen ihm schon mal 30 Vögel ins Netz. Vohwinkel misst, wiegt, fotografiert und beringt sie - dann lässt er die Tiere wieder frei. Seine Hoffnung, mit der Beringung auf den Spuren der Tiere zu bleiben, war bislang allerdings umsonst. »Es hat sich noch keiner gemeldet, dass er einen solchen Vogel gefangen oder gefunden hat.«
Der Schwarzmilan ist im Rhein-Main-Gebiet verbreitet, die kalte Jahreszeit verbringt er jedoch lieber in Afrika. Nach Auskunft des Naturschutzbundes NABU ist seine Ernährung »vielseitig und opportunistisch«. So greife er lebende oder tote Fische von der Wasseroberfläche mit den Krallen auf. Er habe sich aber so weit an den Menschen gewöhnt, dass auch Fleischabfälle auf seinem Speiseplan stünden. dpa