Wiesbaden - In den Städten und Gemeinden haben die politisch Verantwortlichen ein Problem: Sie müssen Energie sparen und ihre Kommunen auf den Klimawandel hin anpassen. Dafür aber haben sie zumeist keine politische Mehrheit hinter sich. Gleichzeitig drängt die Zeit.
Das Dilemma ist also groß, stellen Sabine Hafner und Janis Schiffner fest. Die beiden haben vor gut einem Jahr im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) ein Klima-Handbuch für Kommunen in Hessen geschrieben. Jetzt haben sie bilanziert, wie weit die Entwicklung fortgeschritten ist.
»Wir haben tatsächlich eine Zeitenwende«, sagt Sabine Hafner mit Anspielung auf die Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor einem Jahr anlässlich des Überfalls von Russland auf die Ukraine. Doch diese Wende liege nicht allein im Krieg begründet, sondern betreffe auch das Klima, die Ernährung, Corona, Ressourcen und die Demokratie, die unter starkem Druck stehe, so Hafner, Vorständin von Klimakom, einer gemeinnützigen Genossenschaft für nachhaltige Entwicklung mit Sitz in Hummeltal bei Bayreuth.
Insgesamt, stellt Hafner fest, habe sich die Änderung des politischen Klimas negativ auf die Bewältigung der Klimakrise ausgewirkt: »Diese Zeitenwende hält die fossile Energie am Laufen, es wird weiterhin Kohlendioxid in die Atmosphäre gepumpt.« Die Kohle habe eine Renaissance erfahren.
Doch es gebe auch Positives zu berichten, sagt Klimakom-Projektleiter Janis Schiffner. So gebe es nun etwa im erneuerten hessischen Energiegesetz für Parkplätze und landeseigene Gebäude eine Fotovoltaikpflicht, auch seien Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien beschleunigt worden.
Auch habe Hessen einen Fokus auf Nahmobilität mit Rad und zu Fuß gelegt, Kommunen mit mehr als 20 000 Einwohnern müssten außerdem kommunale Wärmepläne erstellen. Zwar habe Hessen, so Schiffner, jetzt auch ein Klimaschutzgesetz und wolle bis zum Jahr 2030 den Kohlendioxidausstoß um rund zwei Drittel verringern, Strom solle dann zu 80 Prozent aus Erneuerbaren kommen - bislang aber würden bis 2030 die Kohlendioxid-Emissionen voraussichtlich lediglich um 43 Prozent sinken. Es müsse also nachgesteuert werden.
40 Prozent der Treibhausgase entstünden auf kommunaler Ebene, so Hafner. »Da liegt also ein großer Hebel«, sagt sie. »Wir brauchen einen Doppel-Wumms in der kommunalen Klimapolitik«, fordert Hafner wiederum in Anspielung auf eine Aussage von Bundeskanzler Scholz.
Bevölkerung erreichen
Zum einen benötigen die Kommunen finanzielle Mittel vom Land, um Klimaschutz und Klimaanpassungen umsetzen zu können. Zudem seien Unterstützungsangebote nötig.
Klimaschutz müsse für die Kommune zu einer Pflichtaufgabe werden, fordert Hafner. Flächendeckendes Parkraummanagement, einen Anschlusszwang bei Fernwärme, Förderung von Fotovoltaik auf privaten Dächern, Ausbau von Radwegen - das seien einige der Punkte, an denen die Kommunen anpacken könnten. »Die Krise kann so zu einem Chance-Agent werden«, sagt Schiffner.
Um Erfolg haben zu können, komme es darauf an, die Aufgabe »in die Breite zu kriegen«, die Bevölkerung mitzunehmen, so Schiffner. Einfach sei dies nicht. »Die Wende wird nicht gewählt werden, damit gewinnt man keine Wahl«, sagt Hafner. Werde der Klimaschutz zu einer Pflichtaufgabe, erleichtere dies den politisch Verantwortlichen vor Ort das Handeln. Davon ist Hafner überzeugt. P. Hanack