Darmstadt - Jürgen Follmann engagiert sich seit Jahren in der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen in der Verkehrssicherheit. Der Dekan der Hochschule Darmstadt ist optimistisch, dass die Sicherheit im Rad- und Fußverkehr stärker in den Fokus rückt.
Herr Follmann, Sie selbst sind begeisterter Radfahrer. Was empfinden Sie als größte Gefahr?
Die parkenden Autos am Straßenrand. Hier sind die gefährlichsten Momente. Ich hoffe immer, dass sich die Türen nicht gerade öffnen, wenn ich vorbeikomme. Deswegen fahre ich auch bewusst mehr in der Mitte des Fahrstreifens.
Sie forschen schon lange zum Thema Verkehrssicherheit. Wo passieren die häufigsten Unfälle?
Ein Drittel der Unglücke passiert auf der Strecke, meistens in Zusammenhang mit Parken. Vor allem, wenn man dann noch von Autos an den Rand gedrängt wird. Zwei Drittel geschehen an Knotenpunkten und Zufahrten. Hier sind es meist die fehlenden Sichtfelder, beispielsweise auch durch falsch parkende Fahrzeuge.
Da gibt es diesen Trick, dass Autofahrer die Tür mit der rechten Hand öffnen. Sollten das alle Fahrschulen lehren?
Das ist gut. In dem Moment drehe ich mich automatisch nach hinten. Das muss in die Ausbildung hinein, und ich vermute, dass die Ausbildenden das auch schon machen.
Es gibt Menschen, denen das Rad in der Stadt zu gefährlich ist. Sollten die Verkehrsplaner nicht noch stärker an der Sicherheitsschraube drehen?
Je mehr Radfahrer auf die Straße kommen, desto sicherer wird es. Einen Pulk Schüler überholt keiner so schnell. Die Autofahrenden respektieren einen mehr. Aber Sie haben einen Punkt angesprochen, über den wir uns in der Verkehrssicherheit schon seit einiger Zeit Gedanken machen: Die Schutzstreifen, das sind die mit den gestrichelten Linien, sind objektiv sicher. Es passiert ganz wenig dort, wenn sie regelkonform angelegt sind. Aber die Menschen sagen, sie fühlten sich dort trotzdem nicht wohl, weil die Autos darüberfahren können.
Wie lässt sich dieses subjektive Sicherheitsgefühl verbessern?
Der Ansatz, den wir derzeit in den großen Städten vorantreiben, sind die geschützten Radwege, »Protected Bikelanes«, wie wir sie in Frankfurt haben oder neuerdings auch in Darmstadt. Da haben wir die Fahrradwege beispielsweise mit Baken abgetrennt.
Warum nicht gleich eine Fahrradstraße, die für alle Autos gesperrt ist?
Die Anliegerautos muss man in der Regel zulassen. Aber der Durchgangsverkehr muss draußen bleiben. Dass dies ein Problem sein kann, wissen wir aus Offenbach. Fahrradstraßen dienen vor allem der Ergänzung der Hauptachsen und sammeln den Radverkehr in der Umgebung, beispielsweise in Richtung Schulen.
Was halten Sie von Helmpflicht?
Ich bin dafür. Ich kenne die Debatte darüber, dass manche dann das Rad vielleicht stehen lassen könnten. Aber ich glaube, das ist eine Sache der Gewohnheit und der Helm schützt vor schweren Verletzungen. Ich habe mir Helmtragen angewöhnt, weil ich meinen Kindern ein Vorbild sein wollte. Er hat mir auch schon gute Dienste geleistet.
Hat die Unfallforschung zu lange den Rad- und Fußverkehr vernachlässigt?
Ich jedenfalls habe in meinem Studium kaum etwas über Radverkehr gehört. Hier hat sich heute auch durch die Radverkehrsprofessuren vieles verbessert. Im EU-Verkehrssicherheitsprogramm von 2021 bis 2030 auf dem Weg zur Vision null Straßenverkehrstote liegt ein besonderer Fokus auf dem Fuß- und Radverkehr.
Wieso?
Die Europäische Union sieht Nachholbedarf und hat sich weiterhin zum Ziel gesetzt, die Zahl der schweren Verletzungen infolge von Verkehrsunfällen bis 2030 gegenüber dem Ausgangswert von 2020 zu halbieren. Auch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat mit der 1. Nationalen Verkehrssicherheitskonferenz und dem Pakt für Verkehrssicherheit diese Ziele aufgenommen. jur