09. März 2021, 20:16 Uhr

»Facebook ist kein soziales Medium«

09. März 2021, 20:16 Uhr
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Aus der Redaktion
Extrem vorsichtig: Der Messenger WhatsApp (l. o.) kommt Alexander Roßnagel nicht aufs Smartphone - aus Datenschutzgründen. Er nutzt Telegram (r. o.). FOTO: DPA

Anfang des Monats hat der 70-jährige Jura-Professor Alexander Roßnagel sein Amt als hessischer Datenschutzbeauftragter angetreten. Er sieht es als Auszeichnung an, in die Tradition der weltweit ersten Datenschutzbehörde zu treten.

Herr Roßnagel, Ihr Vorgänger Michael Ronellenfitsch ist ein großer Skeptiker, was soziale Netzwerke betrifft. Sind Sie auf Instagram, Facebook oder Twitter unterwegs?

Nein, in keinem davon.

Hat das Datenschutzgründe?

Ja. Ich nehme mal Facebook als Beispiel. Das ist eigentlich kein soziales Netzwerk, danach sieht nur die Oberfläche aus. Das ist ein Werbeunternehmen. Es verdient sein Geld hauptsächlich mit individualisierter, personenbezogener Werbung. Es nutzt den Bedarf der Menschen, soziale Kommunikation zu betreiben, um möglichst viel über die Menschen zu erfahren. Das wandelt es in Werbeprofile um und verdient Milliarden Dollar damit, den Werbeplatz zu versteigern. Das ist eine Art und Weise, mit personenbezogenen Daten umzugehen, die ich nicht gut finden kann. Ich will jedenfalls auf keinen Fall, dass mit meinen Daten auf diese Weise umgegangen wird.

Wie sieht es mit der Nutzung von Messengerdiensten wie WhatsApp oder Signal aus?

Man kommt heutzutage ohne Messenger nicht mehr aus. Ich nutze Signal und Telegram. Auch die haben ihre Probleme, aber nicht so, dass ich davon komplett die Finger lassen würde. WhatsApp nutze ich nicht, weil das zum Facebook-Konzern gehört. Es wird gerade eine Änderung der Datenschutzregeln bei WhatsApp diskutiert, dass diese Daten dann auch dem Mutterkonzern zur Verfügung gestellt werden.

Könnte ein Datenschutzbeauftragter mit einer Positivliste weiterhelfen, auf der er Apps aufführt, mit denen der Datenschutz nicht zu sehr eingeschränkt wird?

Aus Datenschutzsicht wäre das sicher äußerst hilfreich. Das Problem ist, als Behörde wirtschaftliche Produkte zu empfehlen und vor anderen zu warnen. Da muss eine öffentliche Behörde Zurückhaltung üben.

Sie haben angekündigt, sich für eine datenschutzgerechte Gestaltung von Informationstechniksystemen einzusetzen. Was bedeutet das?

Der Datenschutz ist am einfachsten durchsetzbar, wenn er technisch realisiert ist - wenn die Technik also so gestaltet ist, dass sie nur unter Einhaltung des Datenschutzes funktioniert.

Schön wär’s!

Ja, man muss sich frühzeitig darum kümmern, dass die Technik mit möglichst wenig personenbezogenen Daten auskommt. Und dass sichergestellt ist, dass die Zweckbindung der Daten gewahrt ist, damit diese Daten nicht irgendwo herumwabern. Damit erreicht man viel mehr, als wenn man Tausende von Beschwerden bearbeitet, die nachträglich versuchen, etwas zu reparieren, was gar nicht zum Problem geworden wäre, wenn man es von Anfang an korrekt gestaltet hätte.

Sind denn die Unternehmen dazu bereit?

Ja, wenn man frühzeitig auf sie zukommt, wenn sie noch in der Konzeptionsphase sind. Datenschutz ist ein Marktvorteil, ein Argument, mit dem man werben kann. Wenn ein Messengerdienst die Daten verschlüsselt übermittelt und nicht zu anderen Zwecken weitergibt, dann stehen die Chancen gut, dass er viele Kunden bekommt. Jedenfalls wenn er genauso funktional ist wie die Konkurrenz.

Wer im Internet unterwegs ist, bekommt bei jeder Seite neue Fenster, in denen man der Datennutzung zustimmen muss. Das nervt, und viele schauen nur flüchtig drauf, bevor sie zustimmen. Sollte Transparenz so aussehen?

Nein. In meinen Augen ist das bürokratischer Overkill. Das ist Desinformation durch Information. Worauf es ankäme, wäre ein Hinweis in der Situation, wenn Daten an jemanden übermittelt werden sollen: Sind Sie damit einverstanden? Dann könnte ich mich entscheiden, ob ich wieder aus der Website rausgehe oder ob ich einverstanden bin, dass Daten übermittelt werden an X und Y.

Sie übernehmen ein Amt mit großer Geschichte. Hessen hatte den ersten Datenschutzbeauftragten der Welt. Was bedeutet Ihnen das?

Sehr viel. Datenschutz ist immer mein wichtigstes wissenschaftliches Thema gewesen. Es ist für mich eine Auszeichnung, in eine Behörde zu kommen, die dieses Thema administrativ als Erste umgesetzt hat. Ich will versuchen, dem gerecht zu werden.

Sie sind jetzt 70 Jahre alt. Andere sind in dem Alter schon lange im Ruhestand, Sie hingegen suchen eine neue Herausforderung.

Ich wurde gefragt und stand vor der Entscheidung, ob ich in meinem Leben noch so etwas angehe oder mich aufs Rentnerdasein zurückziehe. Das Letztere war für mich nicht attraktiv. Ich bin ja an der Universität Kassel noch als Seniorprofessor in der Forschung tätig, obwohl ich vor zwei Jahren verrentet wurde. Es ist für mich äußerst reizvoll, jetzt das, was ich mir in 30 Jahren als Datenschutzexperte erarbeitet habe, in einer Behörde umzusetzen. Ich werde sehen, wie schwer es ist, Konzepte aus der Wissenschaft in der harten Realität umzusetzen.



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