14. September 2021, 21:11 Uhr

Die Kleinen müssen ganz schön rudern

14. September 2021, 21:11 Uhr
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Aus der Redaktion
Engagiert: Damit die Partei Volt nicht übersehen wird, hat Spitzenkandidatin Dagmar Heil ein Plakat direkt vor ihrem Haus aufgestellt. FOTO: PRIVAT

Wiesbaden - So viel steht fest: Die kleinen Parteien unter den Anwärtern für den Deutschen Bundestag haben es nicht leicht. Das hindert sie nicht daran, sich zu positionieren und Gehör zu verschaffen. Dagmar Heil aus Fulda war vor zwei Jahren bei einer Veranstaltung von »Pulse of Europe«, hörte dort von der neuen Partei Volt - und ist jetzt deren hessische Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl. Aber so schnell kann es natürlich nur bei einer neuen Partei gehen, die noch nicht über viel Personal verfügt. Das »Cityteam Fulda« bestand anfangs nur aus Dagmar Heil, deren Ehemann und einem weiteren Mitstreiter. Inzwischen gibt es in Fulda immerhin schon 20 Volt-Mitglieder.

Europa im Blick

Eine gewisse organisatorische Erfahrung, die sie aus ihrer Tätigkeit als Lehrerin und ihrem betriebsratsähnlichen Engagement im Bistum Fulda mitbringt, hat sicher dazu beigetragen, dass sie in der jungen Partei auch hessenweit schnell nach oben kam. Die Lehrerin für Französisch und Russisch schätzt an Volt vor allem die europäische Ausrichtung. Diese sei noch stärker als bei den Grünen, die aber sicher als nähere Verwandtschaft gelten dürfen. Aber Volt trete eben noch dezidierter für ein föderales Europa ein. »Auf dem Weg dahin kämpfen wir zunächst gegen das Einstimmigkeitsprinzip in der EU und für ein Initiativrecht der europäischen Abgeordneten«, erzählt Heil. Bisher kann das Straßburger Parlament nur Gesetzesvorlagen der EU befürworten oder ablehnen, aber keine selbstständig einbringen. Das Interesse an der neuen Partei, die vor zwei Jahren bei der Europawahl und in Hessen bei den Kommunalwahlen im März die ersten Erfolge erzielte, wird immer größer. Das merkt Heil im Wahlkampf auf der Straße, wofür allein das »Cityteam« in Fulda und Umgebung plus Bad Hersfeld 1000 Plakate geklebt hat.

Ist Volt politisch eigentlich eher rechts oder links? »Wir sind vor allem lösungsorientiert«, sagt Heil. Am ehesten kann man die Partei wohl zwischen FDP und Grünen verorten, mit leichtem Ausschlag nach links. »Wir sind schon etwas sozialer als die FDP«, sagt Heil, deren junge Partei zweifellos Charme hat, in Frankfurt aber doch für die erste Enttäuschung sorgte: Denn dort schaffte sie es als Zünglein an der Waage sogar ins jetzt regierende Römerbündnis, setzte aber in einer eher unschönen Nacht-und-NebelAktion den als Dezernent für Digitales vorgesehenen Parteifreund ab. Und ersetzte ihn durch Spitzenkandidatin Eileen O’Sullivan, die eigentlich Fraktionschefin werden sollte. »Wir waren alle davon überrascht«, sagt dazu Heil. Die Partei habe den Verstoß gegen die eigentlich ausgelobte Transparenz aber aufgearbeitet und wolle es in Zukunft besser machen.

Mit dem Einzug in den Bundestag rechnet die hessische Spitzenkandidatin nicht, aber auf zwei Prozent, was für Volt ein achtbares Ergebnis wäre, hofft sie schon. Selbstredend, dass sie für eine Absenkung, wenn auch nicht komplette Abschaffung der Fünf-Prozent-Hürde ist, die es den kleinen Parteien extrem schwer mache, in den Bundestag zu kommen. Dieter Sattler und Jana Weber



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