Herr Hormann, haben Sie selbst ein Futterhäuschen?
Ja, selbstverständlich! Auf unserem Hof und im naturnahen Garten habe ich mehrere Futterstellen eingerichtet. Das Füttern der Vögel ist für mich auch ein nützlicher Egoismus, da ich die Vögel so aus nächster Nähe beobachten kann. Das macht einfach Spaß. Man lernt viel über die Verhaltensweisen der unterschiedlichen Arten und hofft natürlich auch, dass man den Vögeln damit hilft, besser über die Runden zu kommen.
Die Winterfütterung der Vögel im Garten oder auf dem Balkon gehört für viele Menschen einfach dazu - ist aber umstritten. Ist sie aus Ihrer Sicht sinnvoll?
Die Wintervogelfütterung hat in Deutschland lange Tradition und kann, wenn sie richtig gemacht wird, auf jeden Fall empfohlen werden. Allerdings sollte man die ökologischen Auswirkungen des Fütterns nicht überbewerten - weder positiv noch negativ. Eine vernünftig betriebene Vogelfütterung im Garten schadet nicht, bringt aber für den Artenschutz nicht viel. Weder die Vogelfütterung noch das Aufhängen von Nistkästen kann die Misere des Artenschwundes lösen, noch den Trend zur Verarmung unserer natürlichen Umwelt umkehren. Da hilft nur ein besserer Naturschutz in der Fläche sowie die Wiederherstellung von Lebensräumen: Es darf ein bisschen mehr »Wildnis« sein.
Nicht wenige Vogelliebhaber füttern ihre Lieblinge das ganze Jahr über. Tun sie ihnen damit einen Gefallen?
Nahrungsquellen in strukturreichen Gärten ziehen eine Vielzahl von Vogelarten- und individuen an. Auch ein Balkon lässt sich mit üppig grünenden und blühenden Pflanzen wie Efeu, Klematis und Kräutern in Kästen und Kübeln als vogelfreundlicher Ort gestalten. Die Vogelfütterung bietet nicht nur eine einmalige Möglichkeit, die Natur zu erleben, sondern vermittelt auch Artenkenntnis. Dies gilt besonders für Kinder und Jugendliche, die heute immer weniger Gelegenheit zu eigenen Beobachtungen und Erlebnissen in der Natur haben.
Füttern wäre aus Artenschutzgründen also gar nicht nötig?
Mit der Vogelfütterung in unseren Gärten erreichen wir selten mehr als zehn Prozent der bei uns brütenden oder durchziehenden Arten (etwa 15 bis 20 Vogelarten). Dazugehören unter anderem Sperlinge, Meisen, Finken und Drosseln - also Arten, die insgesamt noch häufig und in ihrem Bestand nicht gefährdet sind. Das Füttern der Vögel rund um Haus und Garten erreicht also nicht die Vögel, die im Fokus notwendiger Schutzbemühungen stehen. Die Winterfütterung leistet zum Artenschutz lediglich einen kleinen Beitrag. Der pädagogische Nutzen ist allerdings nicht hoch genug einzuschätzen, denn viele sehr engagierte Naturschützer haben einmal als begeisterte Vogelbeobachter am Futterhäuschen begonnen.
Die letzten Winter waren wärmer, manche Zugvogelarten blieben hier. Hat das eine Bedeutung für das Füttern?
Obwohl die Winter relativ warm und schneearm waren, sind nur wenige Zugvögel bei uns geblieben. Auffällig war die relativ große Zahl von überwinternden Weißstörchen. Auch konnten vereinzelt Rotmilane bei uns beobachtet werden - keine Arten also, die wir füttern sollten. Diese Vögel können sich ihre Nahrungsquellen - überwiegend Feldmäuse oder Regenwürmer - selbst erschließen. Wenn die Nahrung knapp wird, ziehen sie weiter. Zu den Gartenvögeln, die sehr vereinzelt versuchen, zu überwintern, gehören Hausrotschwanz, Zilpzalp, Mönchsgrasmücke und Heckenbraunelle. Die Winterfütterung hat für diese Weichfutterfresser eine sehr untergeordnete Bedeutung. Wenn wir Kohlmeisen, Spatzen und Finken Futter anbieten, so tun wir es, weil wir uns an ihnen erfreuen und es nicht schädlich ist. Die milderen Wintertemperaturen spielen also in unserer Entscheidung, Vögel zu füttern, keine Rolle.
Welches Futter ist für wen geeignet?
Als Basis-Wintervogelfutter eignen sich besonders fetthaltige Sonnenblumenkerne, Hanfsamen sowie Erdnussbruch. Diese hartschaligen Samen werden bevorzugt von Finken und Ammern mit ihren kräftigen Schnäbeln sowie Meisen, Kleibern und Spechten verzehrt. Weichfutterfresser wie Rotkehlchen, Heckenbraunelle, Zaunkönig und Amsel benötigen andere Futtermischungen. Für sie kann man Rosinen, Obst, Haferflocken und Kleie in Bodennähe anbieten. Dabei ist darauf zu achten, dass dieses Futter nicht verdirbt. Es gibt Bodenfutterspender, die sich dafür besonders eignen. Meisen und Spechte, aber auch Stare lieben Gemische aus Fett (Rindertalk), die man selbst herstellen oder als Knödel kaufen kann.
Kann man beim Füttern etwas falsch machen?
Man sollte beim Kauf der Meisenknödel darauf achten, dass diese nicht in Plastiknetze eingepackt sind. Vögel können sich mit ihren Beinen und Füßen darin verheddern und sich verletzen. Keinesfalls sollte man Essensreste sowie salzhaltige Nahrung anbieten. Auch Brot ist nicht zu verfüttern, da es im Magen der Vögel aufquillt und schnell verdirbt. Es sollte zertifiziertes Vogelfutter Verwendung finden. Eine Beimischung von Sämereien invasiver Pflanzenarten, wie zum Beispiel die stark allergieauslösende Ambrosia, sollte somit verhindert werden können. Der Kauf von hochwertigem Futter lohnt sich also.
Wie sollte eine gute Futterstelle aussehen?
Am besten geeignet sind Futterspender mit Silofunktion. Damit soll verhindert werden, dass die Vögel im Futter herumlaufen und es mit Kot verschmutzen. Der Übertragung und Ausbreitung von Krankheitserregern kann somit vorgebeugt werden. Futtersilos haben den Vorteil, dass das Futter vor Witterungseinflüssen geschützt ist und nicht so leicht verdirbt. Sehr praktisch und hygienisch einwandfrei sind Futtersäulen aus Plexiglas. Die Futterstelle sollte so eingerichtet werden, dass sie für Katzen oder Waschbären nicht erreichbar ist. Da Glasscheiben aufgrund der Spiegelungseffekte zu einen Anflugproblem werden, sind Sicherheitsabstände zu diesen einzuhalten.
Was sollte man beim Füttern unbedingt vermeiden?
Besonders Bodenfutterstellen sollten regelmäßig gereinigt werden, um unliebsame »Mitfresser« fernzuhalten.
Was kann man jetzt und das ganze Jahr über für das natürliche Nahrungsangebot der Vögel im Winter tun?
Fatal für Vögel sind das »Wegsterben« der Insekten und der Verlust von vielen Wildpflanzenarten. Jeder Gartenbesitzer kann zur Lebensraumverbesserung beitragen: Weg vom getrimmten Rasen und den »Steinschotterwüsten«. Einheimische Obstbäume, Beeren tragende Sträucher, Samen tragende Stauden und ein Laubhaufen bieten den Vögeln das ganze Jahr über Lebensraum. In der Streuschicht von Laub und verrottenden Pflanzenresten finden Vögel auch im Winter die Art von Nahrung, die wir ihnen am Futterhaus gar nicht bieten können: Spinnen, Milben, Würmer, Tausendfüßler, Insekten und Larven. Vogelschutz geht halt weit über Vogelfütterungen hinaus. Einen Garten in einen Erlebnisraum und ein Vogelparadies zu verwandeln, ist zudem eine ebenso reizvolle wie anspruchsvolle Aufgabe.